The Stand. Das letze Gefecht
zu verstehen. Er hob die Hände von ihren Schultern; dunkle Handabdrücke blieben auf der Khakibluse zurück und zeichneten sie so, als wären sie Komplizen bei einem tragischen Verbrechen. Irgendwo krähte schrill ein Eichelhäher, und in der Nähe fing Perion an zu weinen.
Harold Lauder, der den Unterschied zwischen den Umarmungen Liebender und Überlebender nicht kannte, betrachtete Stu und Frannie mit dämmerndem Mißtrauen und Angst. Nach einem Moment stapfte er wütend ins Unterholz und kam erst lange nach dem Essen zurück.
Am nächsten Morgen wachte sie früh auf. Jemand schüttelte sie. Ich öffne die Augen, und es ist Glen oder Harold, dachte sie schläfrig. Wir machen es wieder durch, immer weiter, bis wir es richtig machen. Wer nicht aus der Geschichte lernt...
Aber es war Stu. Und es war irgendwie schon Tag; eine graue Dämmerung, vom Morgennebel gedämpft wie glänzendes Gold, das durch dünnen Mull schimmert. Die anderen waren reglose, schlafende Gestalten.
»Was ist?« fragte sie und richtete sich auf. »Stimmt was nicht?«
»Ich habe wieder geträumt«, sagte er. »Nicht von der alten Frau, von dem... dem anderen. Dem dunklen Mann. Ich hatte Angst, und darum...«
»Hör auf«, sagte sie, weil ihr sein Gesichtsausdruck Furcht einjagte.
»Komm zur Sache, bitte .«
»Perion. Das Veronal. Sie hat das Veronal aus Glens Rucksack genommen.«
Fran atmete keuchend.
»O Mann«, sagte Stu gebrochen. »Sie ist tot, Frannie. Mein Gott, was für eine verfluchte Schweinerei.«
Sie wollte sprechen, konnte nicht.
»Ich glaube, ich sollte die beiden anderen aufwecken«, sagte Stu geistesabwesend, wandte sich ab, rieb sich die stoppeligen Wangen. Fran konnte sich erinnern, wie sich seine Bartstoppeln an ihren Wangen angefühlt hatten, als sie ihn gestern umarmte. Er drehte sich bestürzt zu ihr um. »Wann hört das endlich auf?«
Sie sagte leise: »Ich glaube, niemals.«
Sie sahen einander in der frühen Dämmerung in die Augen.
Aus Fran Goldsmiths Tagebuch
9. Juli 1990
Heute nacht haben wir unser Lager westlich von Guilderland (NY) aufgeschlagen, nachdem wir endlich den großen Highway, Route 80/90, erreicht hatten. Die Aufregung, daß wir Mark und Perion (findest du nicht auch, daß das ein schöner Name ist? Ich schon) gestern nachmittag getroffen haben, hat sich mehr oder weniger gelegt. Sie sind übereingekommen, sich uns anzuschließen ... sie haben es selbst vorgeschlagen, bevor einer von uns dazu gekommen ist.
Ich bin nicht sicher, ob Harold es angeboten hätte. Du weißt ja, wie er ist. Und er war ziemlich geschockt (Glen auch, glaube ich) wegen der Sachen, die Mark und Perion bei sich hatten, darunter auch halbautomatische Gewehre (zwei). Aber er wollte wohl hauptsächlich nur seine übliche Schau abziehen... er mußte seine Anwesenheit kundtun, du weißt ja.
Ich glaube, ich habe ganze Seiten mit der PSYCHOLOGIE VON HAROLD gefüllt, und wenn du ihn jetzt nicht kennst, wirst du ihn nie kennen. Unter seiner Überheblichkeit und den vollmundigen Worten versteckt sich ein sehr unsicherer kleiner Junge. Er kann nicht begreifen, daß sich alles verändert hat. Ein Teil von ihm - ein ziemlich großer Teil, meine ich - muß weiterhin glauben, daß seine sämtlichen Peiniger von der High School eines schönen Tages aus ihren Gräbern auferstehen und wieder anfangen, Dreck nach ihm zu schleudern oder ihn Wichser-Harry nennen, wie Amy mir einmal verraten hat. Manchmal glaube ich, es wäre besser für ihn gewesen (und für mich auch), wenn wir uns in Ogunquit nicht zusammengetan hätten. Ich gehöre seinem alten Leben an, ich war einmal die beste Freundin seiner Schwester, und so weiter und so weiter. Zusammenfassend könnte man über meine merkwürdige Beziehung zu Harold folgendes sagen: So seltsam es sich anhören mag, nach allem, was ich jetzt weiß, würde ich mich wahrscheinlich mit Harold anfreunden und nicht mit Amy, die immer scharf auf Jungs mit schönen Autos und Kleidern von Sweetie's war und die (Gott vergebe mir, daß ich schlecht von den Toten spreche) ein regelrechter Snob in Ogunquit gewesen ist, wie es nur jemand sein kann, der ständig in der Stadt wohnt. Harold ist auf seine verschrobene Weise irgendwie cool. Das heißt, wenn er nicht seine ganze geistige Energie darauf konzentriert, ein Arschloch zu sein. Aber weißt du, Harold könnte nie glauben, daß ihn jemand mag. Ein Teil von ihm hat soviel darin investiert, grob zu sein. Er ist entschlossen, seine sämtlichen
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