The Stand. Das letze Gefecht
zuckte wegen seiner verbrannten und empfindlichen Haut und den zahllosen Schmerzen und Blessuren zusammen. Jetzt bedeuteten sie ihm wenig. Er verweilte einen Moment und sah auf die Stadt hinab, die in der Nacht träumte (hier und da waren winzige Lichtfünkchen zu sehen, wie elektrische Lagerfeuer). Dann begann er zu laufen.
Als Stunden später die Morgendämmerung den Himmel zu färben begann, schien Cibola noch fast genauso weit entfernt zu sein wie in dem Augenblick, als er über den Hügel gekommen war und es gesehen hatte. Er war so dumm gewesen, sein ganzes Wasser auszutrinken, weil er vergessen hatte, wie vergrößert hier alles wirkte. Nach Sonnenaufgang wagte er aus Angst vor Austrocknung nicht mehr lange zu gehen. Er würde sich wieder hinlegen müssen, bevor die Sonne mit voller Kraft schien.
Eine Stunde nach Dämmerung kam er zu einem Mercedes Benz am Straßenrand, dessen rechte Seite bis zur Türverkleidung im Sand versunken war. Er öffnete eine der linken Türen und zog die beiden geschrumpften, affenähnlichen Insassen heraus - eine alte Frau, die eine Menge Modeschmuck trug, und ein alter Mann mit theatralisch aussehendem weißen Haar. Müll zog murmelnd den Zündschlüssel ab, ging nach hinten und machte den Kofferraum auf. Die Koffer waren nicht verschlossen. Er hängte eine Reihe Kleidungsstücke über die Fenster des Mercedes und beschwerte sie mit Steinen. Jetzt hatte er eine kühle, schattige Höhle.
Er kroch hinein und legte sich schlafen. Meilen weiter westlich glänzte die Stadt Las Vegas im Licht der Wüstensonne.
Er konnte kein Auto fahren, das hatten sie ihm im Gefängnis nicht beigebracht, aber er konnte Fahrrad fahren. Am 4. Juli, als Larry Underwood feststellte, daß Rita Blakemoor eine Überdosis genommen hatte und im Schlaf gestorben war, stahl der Mülleimermann ein Rad mit Zehngangschaltung und fuhr los. Zuerst kam er nur langsam voran, weil er.den verletzten linken Arm kaum gebrauchen konnte. Am ersten Tag fiel er zweimal vom Rad, einmal genau auf die Brandwunden, was entsetzliche Schmerzen verursachte. Inzwischen eiterten die Brandwunden durch die Vaseline hindurch; der Gestank war fürchterlich. Hin und wieder machte er sich wegen Wundbrand Gedanken, aber nie lange. Er mischte die Vaseline mit einer antiseptischen Salbe, wußte zwar nicht, ob das helfen wüde, war aber überzeugt, daß es nicht schlimmer werden konnte. Die Mischung hatte eine milchige, viskose Beschaffenheit, die an Sperma erinnerte.
Allmählich gewöhnte er sich daran, das Fahrrad fast die ganze Zeit einhändig zu fahren, und stellte fest, daß er gutes Tempo machte. Die Landschaft war flacher geworden, er konnte fröhlich mit dem Rad dahinbrausen. Er fuhr trotz der Verbrennungen und der ständigen Benommenheit einigermaßen sicher, weil er dauernd high vom Morphium war. Er trank literweise Wasser und aß gewaltige Mengen. Er dachte über die Worte des dunklen Mannes nach: Du wirst in meiner Artillerie einen hohen Rang einnehmen. Du bist der Mann, den ich brauche. Es waren wunderbare Worte - hatte ihn vorher schon jemals jemand gebraucht? Die Worte gingen ihm immer wieder durch den Kopf, während er unter der heißen Sonne des Mittleren Westens in die Pedale trat. Und er fing an, die Melodie des Schlagers »Down to the Nightclub« zu summen. Die Worte (»Cia-bola! Bumpty-bumpty-bump«) kamen erst später. Da war er noch nicht so verrückt, wie er werden sollte, aber auf dem besten Weg dorthin.
Am 5.Juli, am Tag, als Nick Andres und Tom Cullen Büffel in Comanche County, Kansas, grasen sahen, überquerte Mülleimermann den Mississippi beim Städtegeviert Davenport, Rock Island, Bettendorf, Moline in lowa.
Am vierzehnten Tag, dem Tag, als Larry in der Nähe des großen weißen Hauses im östlichen New Hampshire aufwachte, überquerte Mülli den Missouri nördlich von Council Bluffs und gelangte nach Nebraska. Er konnte die linke Hand wieder etwas gebrauchen, seine Beinmuskeln hatten sich an die Anstrengung gewöhnt, er raste weiter, weil er den unstillbaren Drang verspürte, sich zu sputen. Auf der Westseite des Missouri argwöhnte Müll zum ersten Mal, dass Gott selbst sich zwischen den Mülleimermann und dessen Schicksal stellen könnte. Mit Nebraska war etwas nicht in Ordnung, ganz und gar nicht in Ordnung. Etwas, das ihm angst machte. Nebraska sah so aus wie lowa... aber es war nicht so. Der dunkle Mann war ihm jede Nacht im Traum erschienen, aber als Mülli in Nebraska war, kam der dunkle Mann
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