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The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition)

Titel: The Walk: Durch eine zerstörte Stadt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Goldberg
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verkohlt, aber die lächelnden Gesichter waren unversehrt geblieben. Die Molly auf dem Foto und die Frau, die er zurückgelassen hatte, die Frau mit den flehenden Augen und dem blutigen Lächeln, waren zwei verschiedene Personen. Marty würde nie in der Lage sein, die beiden Bilder miteinander in Einklang zu bringen, und eins davon würde er nie wieder loswerden.
    Engel.
    Galt dieser Aufschrei, dieser letzte Atemzug, ihrer Tochter, ihrem kleinen Engel? Oder rief sie nach Marty, in dem sie in ihrer Verzweiflung etwas sah, was er definitiv nicht war? Oder schrie sie angesichts des dunklen Geistes, der gekommen war, um sie zu holen, einfach vor Entsetzen?
    Er würde es nie erfahren, aber er würde wahrscheinlich auch nie aufhören, sich diese Fragen zu stellen.
    Marty nahm das Foto und rappelte sich auf. Jeder Teil seines Körpers schien zu schmerzen. Seine Haare waren angesengt, sein Gesicht verkratzt, ein Hosenbein war am Knie zerrissen und sein Schritt war mit Evian getränkt, aber er hatte es geschafft.
    Langsam wandte er sich der schmalen Straße zu und starrte ungläubig auf den Anblick, der sich ihm bot. Beide Fahrzeuge standen lichterloh in Flammen, und das Feuer breitete sich auf die Überreste der umliegenden Gebäude aus.
    Hätte er eine Sekunde länger gezögert, wäre er bei lebendigem Leibe verbrannt. Er war gerade noch einmal davongekommen.
    Bis zum heutigen Tage hatte er es geschafft, sein Leben zu leben, ohne es auch nur ein einziges Mal aufs Spiel zu setzen. Und jetzt war er zwei Mal an einem einzigen Morgen gerade so dem Tode entronnen.
    Diese Art von Glück hält nicht lange an, nicht für echte Menschen. Er wäre fast umgekommen, und zwar nur, weil er stehen geblieben war, nur, weil er sich für die Probleme anderer Leute hatte einspannen lassen. Mollys sicherer Tod wäre fast auch seiner geworden.
    Diesen Fehler würde er nicht noch einmal machen.
    Marty drehte dem Feuer den Rücken zu, stopfte das Foto tief in seine nasse Tasche, zog die Riemen der Sporttasche über den Schultern nach und marschierte los.

KAPITEL DREI
    This Is The City, Los Angeles, Kalifornien
    11:40 Uhr. Dienstag.
    Martys Ray-Ban saß bedenklich wackelig auf seinem Nasenrücken, gehalten von nur einem Bügel, und auch ein Glas war gesprungen. Aber er würde die Brille auf keinen Fall abnehmen, sie war Teil seiner Tarnung. Er schritt zielstrebig in der Mitte der Alameda Street voran und schlängelte sich vorsichtig durch das Trümmerfeld aus Bruchstücken von Straßenbelag, kaputten Autos und eingestürzten Gebäuden.
    Seine Atemschutzmaske war zerdrückt, doch er brachte sie wieder in Form und zog sie sich über Mund und Nase. Er hatte nur noch drei Masken und würde diese hier erst dann wegwerfen, wenn sie absolut nicht mehr zu gebrauchen war. Zudem bedeckte sie sein Gesicht und verbarg jegliche Emotionen wie Mitgefühl oder Angst, die er versehentlich zeigen könnte.
    Rauch und Staub schwängerten die Luft und hüllten ihn in einen wabernden Nebel der Zerstörung. Er war ihm willkommen. Der Dunstschleier verbarg ihn noch zusätzlich vor anderen und die anderen vor ihm.
    Er ignorierte die kollidierten und die kaputten Autos und die Opfer im Fahrzeuginneren.
    Er ignorierte die verstörten Überlebenden, meist betagte Asiaten, die wie Betrunkene stolpernd seinen Weg kreuzten, lauter runzlige, vom Alter gezeichnete Gesichter.
    Er ignorierte die Verletzten und die Toten, die wie der feilgebotene Plunder eines Garagenflohmarkts auf den Gehwegen aufgebahrt waren.
    Und er ignorierte die Weinenden, die Stöhnenden und die Schreienden.
    Er ignorierte einfach alles.
    Da draußen gab es tausend Mollys, und er wollte keine weitere treffen. Es war zu schmerzhaft und viel zu gefährlich.
    Marty hielt seinen Blick auf seine Füße gerichtet, während er den verbogenen Gleisen der längst in Vergessenheit geratenen Eisenbahnstrecke folgte, die in den rissigen Asphalt eingesunken waren. Vielleicht waren es auch alte Straßenbahnschienen. Marty hatte keine Ahnung, und es war ihm eigentlich auch egal. Das bisschen, was er über die Geschichte von Los Angeles wusste, hatte er aus Dragnet -Wiederholungen zusammengeklaubt. Wenn Jack Webb es nicht gefilmt hatte, wusste Marty es auch nicht.
    Er hatte nicht das Gefühl, dass ihm da etwas entging. Los Angeles hatte sowieso nicht viel Geschichte, und das letzte bisschen davon wurde umgehend zubetoniert, sobald es Alterserscheinungen zeigte, was in seinen Augen Sinn machte. Die einzigen Gebäude, für

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