The Walking Dead 2: Roman
lädt.
Sie tritt einen Schritt zurück, starrt auf die vergoldeten Pistolen und kneift die Augen zusammen. Ihr Herz schlägt schneller, ihr Schlund wird ganz trocken, und sie weiß, dass ihre alten Wegbegleiter, Panik und Selbstzweifel, wieder mit von der Partie sind. Sie hält inne, schließt die Augen und schluckt die Angst mit Mühe und viel Selbstkontrolle wieder hinunter. Dann öffnet sie die Augen, hält die rechte Hand in die Höhe und betrachtet sie, als ob sie jemand anderem gehörte. Die Hand zittert nicht, ist völlig ruhig.
Sie wird diese Nacht kein Auge mehr zutun. Die nächste vielleicht auch nicht.
Lilly holt einen großen Rucksack unter dem Bett hervor, packt die Waffen, die Munition, eine Machete, eine Taschenlampe, Nylonleine, Schlafmittel, Panzerband, eine Dose Red Bull, ein Feuerzeug, eine Rolle Plastikplane, fingerlose Handschuhe, ein Fernglas und eine extra Daunenweste ein. Dann schließt sie den Rucksack und stopft ihn wieder unter das Bett.
Sie hat weniger als vierundzwanzig Stunden, bis die Mission beginnt, die ihr Leben entscheidend verändern wird.
Lilly zieht einen Daunenmantel, ihre Fellstiefel und eine Mütze an. Dann blickt sie auf die Uhr auf ihrem Nachttisch.
Fünf Minuten später, um kurz vor Mitternacht, lässt sie die Tür zu ihrer Wohnung hinter sich ins Schloss fallen und macht sich auf den Weg.
Die Stadt ist in der eiskalten Nacht wie leer gefegt, die Luft beißt vor Schwefel und gefrorenem Salz. Lilly muss sich vorsehen, um auf den gefrorenen Bürgersteigen nicht auszurutschen. Ihre Stiefel knirschen bei jedem Schritt. Sie blickt über die Schulter. Die Straßen sind leer. Sie schleicht um die Post herum und geht direkt auf Bobs Wohnung zu.
Die hölzerne Treppe, an der Megan sich aufgehängt hat, ist völlig mit Eis bedeckt. Als Lilly die Stufen hochsteigt, knarzt es unter ihr, und das Eis bricht unter ihren Stiefeln.
Sie klopft an Bobs Tür. Keine Antwort. Sie klopft erneut. Nichts. Sie flüstert Bobs Namen, aber keine Reaktion, kein Laut von innen. Sie legt die Hand auf die Klinke, drückt sie nieder. Zu ihrer Überraschung ist sie nicht abgeschlossen. Lilly öffnet die Tür und tritt ein.
Die Küche ist in Dunkelheit getaucht. Der Boden ist mit zerbrochenen Tellern und Tassen übersät, hier und da erkennt sie Lachen irgendeiner Flüssigkeit. Einen Augenblick lang wundert Lilly sich, ob sie nicht besser mit einer Waffe eingetreten wäre. Sie checkt das Wohnzimmer zu ihrer Rechten, sieht umgestoßene Möbel und Haufen dreckiger Wäsche.
Sie findet die batteriebetriebene Laterne auf der Arbeitsplatte, nimmt sie in die Hand und schaltet sie an. Lilly geht den Flur entlang und ruft: »Bob?«
Der Laternenschein spiegelt sich in den Scherben auf dem Boden. Eine von Bobs Arzttaschen liegt umgedreht im Flur, sämtlicher Inhalt über den Boden verstreut. An den Wänden schimmert etwas Klebriges. Lilly schluckt erneut ihre Angst hinunter und geht weiter.
»Irgendjemand zu Hause?«
Sie lugt in das Schlafzimmer am Ende des Flurs und sieht Bob. Er sitzt auf dem Boden, den Rücken gegen das ungemachte Bett gelehnt, der Kopf hängt schlaff nach vorn. Er trägt ein dreckiges Unterhemd und Boxershorts. Seine dünnen Beinchen sind weiß wie Alabaster, und er ist so still und ruhig, dass Lilly ihn für tot hält.
Aber dann sieht sie, dass seine Brust sich kaum merkbar hebt und senkt und sieht eine halb leere Flasche Jim Beam in seiner rechten Hand.
»Bob!«
Sie eilt zu ihm, hebt vorsichtig den Kopf und lehnt ihn gegen das Bett. Seine fettigen, schütteren Haare hängen schief von seinem Schädel herunter. Mit Lidern auf Halbmast, so dass man seine blutunterlaufenen, glasigen Augen nur schwerlich sieht, stammelt er kaum verständlich: »Zu viele … Die werden …«
»Bob, ich bin es, Lilly. Kannst du mich hören? Alles ist gut, ich bin hier.«
Sein Kopf fällt wieder nach vorne. »Die werden alle sterben … Wenn wir nicht die schlimmsten Fälle sichten …«
»Bob, wach auf! Du träumst. Alles ist gut, ich bin doch hier!«
»Voller Maden … Zu viele … Grässlich …«
Sie stellt sich auf, dreht sich um und verlässt das Schlafzimmer, um im verwahrlosten Badezimmer einen dreckigen Becher mit Wasser zu füllen. Mit dem Becher in der Hand kehrt sie zu Bob zurück. Sanft löst sie seine Finger von der Flasche Jim Beam und wirft sie dann mit Wucht gegen die Wand. Die Flasche zerbirst in tausend Scherben und hinterlässt einen feuchten Fleck auf der Blumentapete. Bob
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