The Walking Dead 2: Roman
Eastern Standard Time tritt der nahe gelegene Flint River über seine Ufer. Unter Blitzen, die in stroboskopartigen Abständen die Erde erhellen, strömen die Wassermassen über die Ufer, machen Bauernhöfe dem Erdboden gleich, stürzen Werbetafeln um und spülen zurückgelassene Autos über Feldwege wie Spielzeug, das von einem wütenden Kind zur Seite geworfen wird. Die Schlammlawinen beginnen eine Stunde später. Der gesamte Hang nördlich des Friedhofs bricht zusammen und stürzt auf den Flint River zu. Auf seinem Weg deckt er Gräber ab, spült alte Särge mit sich, die aufreißen und ihren grässlichen Inhalt in den Ozean von Schlamm, Eisregen und Wind entleeren. Die meisten Skelette brechen einfach auseinander wie Streichhölzer, aber viele der nicht so alten Leichen, insbesondere diejenigen, die noch intakt und frisch genug sind, um zu krabbeln oder zu kriechen, arbeiten sich langsam, aber stetig in Richtung Land.
Verzierte Fenster entlang des Nightingale Besucherzentrums zerbersten vom Druck der Schlammlawine, implodieren, und die orkanartigen Winde bewerkstelligen den Rest, blasen Teile gotischer Turmspitzen fort und reißen ganze Dächer auf. Einen halben Kilometer weiter östlich treffen die Fluten auf das Krankenhaus und bringen Trümmer und Treibgut mit sich, denen die Türen und Fenster nicht standhalten können.
Die Untoten, die bis vor Kurzem noch in der Leichenhalle gefangen waren, tauchen jetzt aus allen erdenklichen Öffnungen hervor, werden von den Luftströmungen und den Winden erfasst.
Um fünf Uhr ist eine Unmenge von Zombies – es sind genug an der Zahl, um eine ganze Totenstadt zu bevölkern – gleich einer gestrandeten Schule von Fischen an Land gespült worden und verteilt sich über die angrenzenden Tabakfelder und Obstplantagen. Sie stolpern neben- und übereinander her, hängen in Bäumen, andere treiben weiter, Kilometer über Kilometer unter Wasser, dreschen im düsteren Nass vor unfreiwilligem, instinktivem Urhunger um sich. Tausende sammeln sich in den Moränen, Tälern und geschützten Landstrichen nördlich des Highway. Sie klettern aus dem Schlamm wie Pantomimen von Urmenschen aus einer paläolithischen Suppe.
Noch bevor die Regenstürme vorbei sind, sie ziehen weiter gen Osten Richtung Küste, übertrifft die noch verstreute Zahl der Toten sogar die Menge der Lebenden, die zu Zeiten vor der Plage in der Stadt Harrington lebten.
Das Nachspiel dieses Jahrhundertsturms endet in beinahe tausend Zombies, die sich langsam zusammenfinden und die größte Herde seit Beginn der Plage bilden. In der verregneten Dunkelheit sammeln sie sich mühsam und unbeholfen, bis sie sich in einem riesigen Pulk zwischen dem Crest Highway und der Roland Road gefunden haben. Die Herde ist so dicht, dass ihre verwesenden Köpfe aus der Ferne wie eine dunkle, brackige Flut aussehen, die unaufhaltsam über das Land strömt.
Aus keinem ersichtlichen Grund, außer vielleicht der unerklärlichen Verhaltensweise der Toten, rollt die Herde vielleicht aus Instinkt, vielleicht wegen des Geruchs, der Pheromone oder einfach nur aus Zufall nach Nordwesten direkt auf die am dichtesten bevölkerte Stadt der Gegend zu: Woodbury. Sie haben noch fünfzehn Kilometer vor sich.
Der Sturm hinterlässt Bauernhöfe und Felder im Südosten Georgias in riesigen Seen schwarzen, dreckigen Wassers. Die flachen Teiche gefrieren, die höher gelegenen Landstriche bilden ein einziges Schlammfeld.
Die immer schwächer werdende Regenfront zieht über das Land, verwandelt die Wälder und Hügel um Woodbury in ein Wunderland glitzernder Äste, Stromleitungen, die unter dem Gewicht der unzähligen Eiszapfen nachzugeben drohen, und kristalliner Pfade. Das alles wäre vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt ein wunderbarer Anblick, aber jetzt, inmitten dieser alles verwüstenden Plage und verzweifelter Menschen, ist es alles andere als das.
Am nächsten Tag mühen sich die Bewohner von Woodbury ab, die Stadt wieder auf Vordermann zu bringen. Der Governor weist seine Männer an, eine nahe gelegene Meierei nach Salzblöcken zu durchsuchen. Sie werden fündig und transportieren sie auf Pritschenwagen zurück, um sie dann mit Motorsägen in leichter zu hantierende Brocken zu schneiden, klein zu machen und schließlich auf die Straßen und Bürgersteige zu streuen. Sandsäcke werden südlich der Stadt aufgestapelt, um das Wasser abzuhalten. Den ganzen düsteren grauen Tag lang schöpfen, hacken, streuen und schaufeln die Bewohner die
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