The Walking Dead 2: Roman
wollen.«
»Eins nach dem anderen. Zuallererst gehst du nirgendwohin, nicht in diesem Zustand.«
Lilly lässt den Kopf hängen. Eine einzige Träne tropft aus ihrem rechten Auge. »Es war … nicht vorsätzlich, Bob.«
Bob blickt sie an. »Vielleicht solltest du dich einfach darauf konzentrieren, dass du wieder gesund wirst. Was hältst du davon?«
Lilly hebt den Kopf und schaut ihn an. Ihre kaputte Lippe ist dreimal so groß, wie sie eigentlich sein sollte, in ihrem linken Auge ist kein Weiß mehr zu sehen, und die Augenhöhle verfärbt sich bereits schwarz. Sie zieht den Kragen ihrer Jacke hoch und beginnt vor Kälte zu zittern. Sie trägt eine ganze Menge an komischen Schmuck, der Bob ins Auge sticht: Makramee-Armbändchen, Perlen und winzige Federn, die in ihre kastanienbraunen Strähnen eingearbeitet sind und ihr lädiertes Gesicht bedecken. Bob Stookey versteht nicht, wie sich eine Frau in dieser Welt noch immer auf Mode und ihr Aussehen konzentrieren kann. Aber das ist Teil von Lilly Cauls Charme, Teil ihres Wesens. Angefangen mit dem kleinen Tattoo einer bourbonischen Lilie im Nacken bis hin zu den perfekt eingerissenen und wieder geflickten Jeans ist Lilly ein Mädchen, das aus zehn Dollar und einem Nachmittag in einem Secondhandshop einen ganzen Kleiderschrank voll Klamotten schaffen kann. »Es war alles meine Schuld, Bob«, sagt sie schließlich mit heiserer, schläfriger Stimme.
»So ein Schwachsinn«, entgegnet Bob Stookey, nachdem er einen weiteren Schluck vom Flachmann genommen hat. Vielleicht hilft der Alkohol, seine Zunge zu lösen, denn er fasst seine Verbitterung auf einmal in Worte. »Ich nehme an, dass er es verdient hat. So, wie der drauf war …«
»Bob, das ist nicht …«
Lilly hält inne, als sie das Knirschen von Schritten vor dem Zelt hört. Ein Schatten so groß wie der eines Monsters verdunkelt das Zelt. Die vertraute Silhouette zögert für einen Augenblick und lungert etwas unbeholfen vor dem Zelteingang herum. Lilly erkennt die Gestalt sofort, sagt aber keinen Ton.
Eine riesige Hand erscheint und zieht die Zeltplane beiseite, ehe das dazugehörige Gesicht erscheint. »Die haben gesagt, ich könnte … Ich habe noch drei Minuten«, sagte Josh Lee Hamilton in einem zu Tränen gerührten Bariton.
»Was soll das denn heißen?« Lilly setzt sich erneut auf und starrt ihren Freund an. »Drei Minuten? Wozu?«
Josh kniet sich vor den Eingang, blickt zu Boden, kämpft gegen seine eigenen Emotionen an. »Drei Minuten, um mich zu verabschieden.«
»Zu verabschieden?«
»Genau.«
»Wie, dich zu verabschieden! Was ist passiert?«
Josh seufzt gequält auf. »Die haben abgestimmt … Und sind zu dem Schluss gekommen, dass es am besten für alle ist, wenn ich meine Sachen packe und verbannt werde.«
»Was?«
»Ist wohl besser, als wenn sie mich am nächsten Baum aufhängen.«
»Aber du hast doch nicht … das war doch … Das war doch ein Versehen, na ja … ein Unfall!«
»Ja, klar doch«, erwidert Josh und blickt zu Boden. »Der arme Sack hat aus Versehen sein Gesicht ein Dutzend Mal gegen meine Faust gerammt.«
»Aber unter welchen Umständen! Wissen die Leute denn überhaupt, was dieser Mann …«
»Lilly …«
»Nein, so geht das nicht. Das ist … falsch.«
»Lilly, die Sache ist gegessen.«
Sie blickt ihn an. »Geben sie dir wenigstens ein paar Vorräte? Vielleicht sogar ein Auto?«
»Ich habe mein Motorrad. Das wird schon, mir geht es gut …«
»Nein … Nein … Das ist einfach … irrwitzig .«
»Lilly, jetzt hör mir gut zu.« Der große Mann rückt etwas näher. Bob schaut peinlich berührt beiseite. Josh beugt sich vor, streckt die Hand nach Lilly aus und streicht ihr behutsam über das verletzte Gesicht. So wie Josh die Lippen zusammenpresst, wie seine Augen glänzen, wie sich die Furchen um seinen Mund vertiefen, ist es eindeutig, dass er eine ganze Flut von Emotionen zurückhält. »So wird es nun einmal gespielt. Das wird schon. Und wegen mir brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Du und Bob, ihr müsst ab jetzt hier aufpassen, die Zügel in die Hand nehmen.«
Lillys Augen füllen sich mit Tränen. »Dann komme ich mit dir.«
»Lilly …«
»Es gibt hier nichts, was mich davon abhalten könnte.«
Josh schüttelt den Kopf. »Es tut mir leid, Kleine … Das ist eine einfache Fahrkarte, die gilt nicht für zwei.«
»Ich komme mit.«
»Lilly, es tut mir wirklich leid, aber das geht nicht. Hier ist es sicherer, in der Gruppe.«
»Ja,
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