The Walking Dead 2: Roman
ehrlich zu sein. Wir sind viel durch die Gegend gezogen, verschiedene Schulen, und jedes Mal wenn wir nach Hause kamen, saßen neue Fremde auf dem Sofa. Aber ich habe sie trotzdem geliebt.«
»Und ich kann gut verstehen, warum.«
Josh schluckt hart. Jetzt kommt es – der schlimme Teil, der ihn jede Nacht bis zum heutigen Tag heimsucht. Er starrt auf die Schneeflocken. »Es war ein Sonntag. Ich wusste, dass es bergab mit Mama ging. Sie war nicht mehr ganz bei Sinnen. Ein Arzt hat gesagt, dass sie Alzheimer kriegt. Damals haben sich die Untoten bereits in die Nachbarschaft eingeschlichen. Weißt du, da gab es noch Sirenen, Warnungen im Radio und Fernsehen und das ganze Drumherum. Unsere Straße war den ganzen Tag lang gesperrt. Als ich zur Arbeit gefahren bin, saß meine Mutter am Fenster und starrte auf diese wandelnden Leichen. Sobald eine durch die Absperrung kam, wurde sie von den SWA T -Typen liquidiert. Ich habe mir nichts dabei gedacht, habe angenommen, dass alles unter Kontrolle sei.«
Er hält inne, aber Lilly sagt nichts. Beiden ist klar, dass er es erzählen, es mit einem anderen Menschen teilen muss, damit die Geschichte ihn nicht für den Rest seiner Tage von innen her auffrisst. »Dann habe ich später versucht, sie anzurufen, aber es hat nicht geklingelt. Habe es auf die Telefongesellschaft geschoben und gedacht, dass keine Neuigkeiten gute Neuigkeiten sind. Ich glaube, ich war um halb sechs fertig mit der Arbeit.«
Er schluckt erneut, hat einen Frosch im Hals. Josh spürt, wie Lilly ihn anstarrt.
»Ich kam um die Ecke, wollte in meine Straße einbiegen. Habe den Ausweis herausgeholt, ihn den Leuten an der Absperrung gezeigt. Erst dann habe ich gesehen, dass genau vor unserem Haus irgendetwas los war. Die SWA T -Leute surrten wie Bienen hin und her. Hab vor unserem Haus geparkt. Die fangen an, mich anzubrüllen, dass ich von hier verschwinden soll. ›Immer mit der Ruhe‹, rufe ich zurück, ›ich wohne hier‹. Schließlich haben sie mich durchgelassen. Ich sehe von unten, dass die Tür zu unserer Wohnung weit offen steht. Es wimmelt nur so von Bullen, und sie tragen so eine Schachtel …«
Josh bringt es nicht übers Herz. Er holt Luft, sammelt sich, um weitermachen zu können, wischt sich die Augen trocken. »Sie trugen, wie nennen sie es? Ach, ich weiß auch nicht, aber da tun sie Organe und so rein. Jetzt bin ich am Rennen, die Stufen hinauf, zwei auf einmal. Ich glaube, ich habe einen Bullen umgestoßen. Als ich im zweiten Stock angekommen bin, sehe ich eine ganze Horde von Typen in Schutzanzügen. Ich dränge mich zwischen ihnen hindurch und sehe …«
Josh spürt, wie die Trauer in ihm aufwallt, droht, ihn zu ersticken. Er hält erneut inne, versucht, nach Atem zu ringen. Seine Tränen brennen ihm in den Augen und bahnen sich endlich ihren Weg seine Wangen hinab.
»Josh, du musst nicht …«
»Nein, geht schon. Und doch, ich muss … Als ich das gesehen habe … Ich wusste sofort, was geschehen ist. Das Fenster stand offen, der Tisch war gedeckt. Mama hat das beste Geschirr herausgeholt, das von ihrer Hochzeit. Du kannst dir das Blut nicht vorstellen. Ich meine, als ob jemand die Wohnung mit Rot angemalt hätte.« Er merkt, dass seine Stimme nachgibt. »Da lagen mindestens sechs von den Dingern auf dem Boden. Die SWA T -Typen müssen sie plattgemacht haben. Von Mama war … Von Mama war nicht viel übrig geblieben.« Die Erinnerungen schnüren ihm die Kehle zu. Er schluckt, zuckt bei dem Schmerz in seiner Kehle zusammen. »Teile von ihr lagen auf dem Tisch. Neben dem guten Geschirr. Ich habe ihre … Habe ihre Finger gesehen. Angenagt, abgenagt, neben der Sauciere. Das, was von ihr übrig geblieben war, zusammengesackt auf dem Stuhl … ihr Kopf zur Seite geneigt … der Hals aufgerissen …«
»Okay, Josh … Es ist wirklich nicht nötig, dass … Es tut mir leid … Es tut mir ja so leid!«
Josh blickt sie an. Es kommt ihm vor, als ob er Lilly in einem ganz neuen Licht sieht, als ob sie unscharf vor ihm schwebt. Ihre Augen scheinen so weit weg wie in einem Traum.
Lilly Caul erwidert seinen Blick mit Tränen in den Augen, und ihr Herz zieht sich zusammen. Sie will ihn halten, diesen sanften Koloss trösten, seine gigantischen Schultern streicheln und ihm sagen, dass alles wieder gut werden wird. Sie hat sich noch nie einem menschlichen Wesen so nahe gefühlt, und es bringt sie beinahe um den Verstand. Sie verdient seine Zuneigung, seine Freundschaft, seine Loyalität,
Weitere Kostenlose Bücher