The Walking Dead: Roman (German Edition)
gleicht. Ab und zu glaubt Brian, das Flackern eines Feuers oder ein aufblitzendes Licht inmitten des schwarzen Nichts zu erkennen, aber vielleicht bildet er es sich auch nur ein.
»Ich glaube, dass diese Frau, diese April, für Penny am besten überhaupt ist«, gibt Philip zu bedenken.
»Ja, die beiden verstehen sich.« Brian hat sich selbst mehr als nur an April gewöhnt. Auch die Tatsache, dass sich Philip vielleicht in sie verliebt hat, ist ihm nicht entgangen. Nichts würde Brian glücklicher machen, als dass sein Bruder endlich wieder etwas Ruhe und Stabilität in der Beziehung zu einer Frau finden könnte.
»Die andere ist allerdings völlig daneben«, meint Philip nach einer Weile.
»Tara? Ja, die ist unberechenbar.«
Während der letzten Tage hat Brian versucht, Tara Chalmers aus dem Weg zu gehen. Sie gleicht einem wandelnden Geschwür – gereizt, paranoid und in tiefer Trauer um ihren Vater. Aber Brian glaubt, dass sie das irgendwann verarbeiten und überwinden wird. »Eigentlich scheint sie ganz nett zu sein.«
»Sie begreift nicht, dass ich ihr das Leben gerettet habe«, giftet Philip.
Brian hustet drei- oder viermal und meint dann: »Darüber wollte ich mit dir reden.«
Philip blickt ihn an. »Worüber?«
»Darüber, dass sich der alte Mann so verwandelt hat.« Brian wählt seine Worte mit Bedacht. Er weiß, dass er nicht der Einzige ist, der sich darüber Sorgen macht. Seit David Chalmers von den Toten zurückgekehrt ist, um seine ältere Tochter zu verschlingen, hat sich Brian den Kopf darüber zerbrochen, wie so etwas passieren kann, welche Schlussfolgerungen man daraus zieht und welche Regeln man in dieser wilden, unkontrollierten Welt aufstellen kann. Überhaupt: Wie soll es mit der Menschheit weitergehen? »Denk doch mal nach, Philip. Er ist nicht gebissen worden – oder?«
»Nein, ist er nicht.«
»Warum also hat er sich verwandelt?«
Einen Augenblick lang starrt Philip seinen Bruder ausdruckslos an, und die Finsternis um sie herum scheint sich zu vertiefen. Es ist, als ob die Stadt in der unendlichen Weite eines Traumes stecken würde. Brian läuft es kalt den Rücken runter – als ob die Tatsache, dass er es jetzt endlich ausgesprochen hat, einen übel gesonnenen Flaschengeist freigelassen hätte. Einen Flaschengeist, den man nicht wieder einfangen kann.
Philip nimmt einen Schluck Wein. Sein Gesicht ist wie versteinert. Das kann Brian trotz der Dunkelheit sehen. »Wir wissen so gut wie nichts. Vielleicht hat er sich schon früher infiziert. Vielleicht muss man einen von denen ja nur berühren, und dann arbeitet sich der Virus langsam in einen hinein. Auf jeden Fall hat der alte Mann so oder so auf dem letzten Loch gepfiffen.«
»Wenn das der Fall ist, dann sind wir alle …«
»He, Professor. Jetzt hör mal auf. Wir sind alle gesund, und ich habe nicht vor, dass sich daran etwas ändert.«
»Ich weiß. Ich will damit nur sagen … Vielleicht sollten wir uns Gedanken darüber machen, welche Vorsichtsmaßnahmen wir noch treffen können.«
»Vorsichtsmaßnahmen? Ich habe eine Vorsichtsmaßnahme direkt hier in meiner Hand.« Er greift an die Waffe in seiner Jeans.
»Ich rede von gründlich Hände waschen und Sachen sterilisieren.«
»Und womit?«
Brian seufzt und blickt zum Himmel hinauf. Die Wolken hängen tief – eine dunkle Suppe so finster wie schwarze Wolle. In der Ferne braut sich ein Unwetter zusammen. »Wir haben Wasser in den Toiletten«, fährt er fort. »Wir haben Filter und Propan, wir kommen sogar an Reinigungsmittel, wenn wir uns die Straße hinunterwagen – und Seife und Putzmittel und so.«
»Wir filtern doch das Wasser bereits, Junge.«
»Ja, aber …«
»Und waschen tun wir uns mit diesem Ding, das Nick gefunden hat.« Das ‚Ding’ ist eine Campingdusche, die Nick in der Sportabteilung von Dillard’s mitgenommen hat. Sie ist ungefähr so groß wie eine kleine Kühlbox und hat genug Platz für einen Zwanzig-Liter-Tank. Sie besitzt einen Schlauch mit Duschkopf und wird von einer batteriebetriebenen Pumpe versorgt. Schon seit fünf Tagen genießt jeder den Luxus einer kurzen Dusche, wobei sie das Wasser so gut es geht wiederverwenden.
»Ich weiß, ich weiß … Ich meine doch nur. Vielleicht ist es besser, wenn wir es mit der Sauberkeit ruhig etwas übertreiben. Zumindest so lange, bis wir mehr wissen.«
Philip wirft ihm einen Blick zu. »Und was ist, wenn es nichts weiter herauszufinden gibt?«
Brian antwortet nicht.
Die Stadt brummt weiter
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