The Walking Dead: Roman (German Edition)
finster vor sich hin, und ein fauler, widerlicher Gestank weht ihnen ins Gesicht. Er sagt so viel wie: Fuck you!
Vielleicht ist es die merkwürdige Mischung unappetitlicher Zutaten, die April und Penny zum Abendessen auf dem Campingkocher zubereitet haben – ein Fraß aus Spargel im Glas, Formschinken und zerbröselten Kartoffelchips, der Philip wie ein Stein im Magen liegt. Vielleicht sind es aber auch der Stress, die Wut und die Schlaflosigkeit der letzten Wochen, die ihm zu schaffen machen. Oder war es doch die Unterhaltung mit seinem Bruder auf dem Balkon? Ganz gleich, woran es liegt – auf jeden Fall hat Philip Blake in jener Nacht einen langen und schrecklichen Traum.
Er liegt in seinem neuen Zimmer auf dem großen Doppelbett und wälzt sich unruhig von einer Seite auf die andere. Aprils ehemaliges Schlafzimmer war offensichtlich einmal ein Heimbüro, denn während sie es aufräumten, stießen April und Philip auf allerlei Bestellformulare für Kosmetika, Proben und Muster. Im Schlaf fällt er immer wieder in eine fiebrige Horrorshow. Es ist ein Traum ohne feste Form. Er besitzt weder Anfang noch Mitte oder Ende, sondern dreht sich einfach um den fürchterlichen, allgegenwärtigen Terror.
Philip ist zurück in seiner Kindheit in Waynesboro – zurück in dem heruntergekommenen kleinen Bungalow an der Farrel Street, im Kinderzimmer, das er sich mit Brian teilte. Aber Philip ist kein Kind mehr. Doch nicht nur er hat die Zeitreise zurück in die siebziger Jahre unternommen – die Plage ist ihm gefolgt. Der Traum wirkt erschreckend lebendig und echt. Die Tapete mit den Maiglöckchen, die Iron-Maiden-Poster und der zerkratzte Schreibtisch. Auch Brian befindet sich irgendwo im Haus. Aber anstatt ihn zu sehen, hört Philip nur seine Schreie. Penny ist auch irgendwo und verlangt weinend nach ihrem Vater. Philip eilt auf den Flur, der einem endlosen Labyrinth gleicht. Putz fällt von den Wänden. Eine Horde Zombies wartet draußen, tobt und zetert. Sie wollen herein. Die zugenagelten Fenster sind am Vibrieren. Philip hat einen Hammer und versucht, sie erneut zu sichern. Er klopft weitere Nägel durch die Bretter und in die Holzwand, aber der Hammerkopf fällt vom Stil. Ein Krachen – etwas knarzt. Philip sieht, wie eine Tür langsam dem Druck von außen nachgibt. Er sprintet hin, aber der Türknauf fällt ab, sobald er die Hand danach ausstreckt. Er durchsucht Schubladen und Kommoden nach Waffen. Das Furnier pellt sich von den Holzmöbeln, während der Putz von der Decke rieselt. Die Wände stürzen ein, das Linoleum wölbt sich, und die Fenster fallen aus ihren Rahmen. Philip hört ständig Pennys verzweifeltes Rufen, er hört ihre Schreie, wie sie nach ihm verlangt: » DADDY !«
Knochige Arme schießen durch die kaputten Fenster, und schwarze, gekrümmte Finger greifen nach ihm.
» DADDY !«
Philip entringt ein lautloser Schrei, als der Traum in tausend Scherben zerbirst. Er wacht auf.
Vierzehn
P hilip schreckt keuchend auf. Ruckartig setzt er sich hoch und blinzelt ins blassen Morgenlicht. Irgendjemand steht am anderen Ende des Bettes. Nein. Es sind zwei Personen. Jetzt sieht er sie – eine ist groß, die andere eher klein.
»Guten Morgen«, begrüßt ihn April, deren Hand auf Pennys Schulter ruht.
»Verdammt.« Philip lehnt sich ans Kopfteil des Bettes. Er trägt ein Unterhemd und eine Trainingshose. »Mann, wie spät ist es denn?«
»Noch nicht ganz Mittag.«
»Heiliger Strohsack«, murmelt er und versucht, sich zu orientieren. Seine sehnige Gestalt ist von einem dünnen Schweißfilm bedeckt. Sein Nacken tut weh, und sein Mund schmeckt abgestanden. »Unglaublich.«
»Wir müssen dir etwas zeigen, Daddy«, verkündet Penny, die Augen vor Spannung aufgerissen. Der Anblick seiner Tochter, die so fröhlich vor ihm steht, löst eine wohltuende Welle der Erleichterung in ihm aus und verdrängt die letzten Fetzen seines fiebrigen Traums.
Er steht auf und zieht sich an. »Bin gleich so weit. Gebt mir einen Augenblick, damit ich mich schminken kann«, sagt er mit heiserer Whiskey-Stimme und fährt sich mit den Fingern durch die ungewaschenen Haare.
Dann begleitet er die beiden aufs Dach hinauf. Als sie die Feuertür öffnen und ihnen die kühle Luft entgegenschlägt, kann Philip das grelle Licht kaum ertragen. Obwohl es bewölkt ist, bekommt Philip Kopfschmerzen, und das Tageslicht lässt seinen Kopf fast explodieren. Er blinzelt in den Himmel hinauf und entdeckt die bedrohlichen Gewitterwolken,
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