Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
Vom Netzwerk:
darauf?« fragte Nat.
    »Du machst es heute so spannend mit dem Tee.«
    »Setz dich«, sagte er und rührte in seiner Tasse.
    »Also?« fragte Thea.
    »Ich möchte, daß du morgen mit mir in eine deiner Kirchen gehst.«
    »Was willst du in einer katholischen Kirche, Nathaniel Landman?«
    »Weihrauch riechen. Ich will Weihnachten schön machen.«
    »Willst du konvertieren?«
    »Es genügt, daß ich mit einer Schickse lebe.«
    »Denk an Theodor Friedberg, der mich gezeugt hat.«
    »Das hilft nicht«, sagte Nat, »deine Mutter ist katholisch.«
    »Ich bin nicht mal getauft.«
    »Und hängst trotzdem dran«, sagte Nat, »der Tee ist heute aber süß.«
    »Hast du noch was auf dem Herzen?« fragte Thea.
    »Ich möchte, daß du mich heiratest«, sagte Nat.
    »Im Dom oder in der Synagoge.«
    »Auf dem Standesamt«, sagte Nat.
    »Dann bin ich dir sicher?«
    »Bei deinem Pflichtgefühl plus amtlicher Bescheinigung.«
    »Du überschätzt meine bürgerlichen Qualitäten.«
    »Nein«, sagte Nat, »du kannst nicht aus deinem Korsett. Das hast du vom Vater deines Vaters. Der hat doch nicht mal vor dem KZ kehrtgemacht.«
    »Er hätte nicht entkommen können.«
    »Das hast du mir schon anders erzählt.«
    »Er konnte doch nicht die Familie im Stich lassen«, sagte Thea.
    »Und du kannst mich nicht im Stich lassen«, sagte Nat.
    Nat fuhr in die Danziger Straße und parkte den Wagen auf dem Platz vor der Kirche. Thea stieg aus und schlitterte auf dem gefrorenen Schnee, den die erste Nässe des einsetzenden Tauwetters noch glatter machte.
    »Halt dich an mir fest«, sagte Nat, als er ausgestiegen war. Sie rutschten die paar Schritte zur Kirche, und Thea hielt die Tür auf und stand mit Nat in einem Windfang, an den eine Glastür grenzte. Nat wollte sie gerade öffnen, als sich jemand zwischen ihn und die Tür drängte und sie aufdrückte.
    Thea dachte, daß es ein Kind sei, das einen zu großen Mantel trug, doch als sie den Stuhl in die dunkle Kirche schob, sah sie in das Gesicht eines nicht mehr jungen Mannes.
    Er schaute Nat an, als sei der Kaiser von China in die Kirche gekommen. Nat drehte sich zu Thea um. Der Blick des Mannes machte ihn verlegen. Thea hatte das Gefühl, daß er ihm ausweichen wollte.
    »The coats«, sagte Nat.
    Thea sah zu dem Mann hin, der jetzt am Arm einer Frau mit Persianer hing. Die Mäntel rochen nach Gruft.
    Nat seufzte, als die beiden dicht vor Thea und ihm stehenblieben. Die Bänke waren schon besetzt. Die Messe hatte begonnen. Die Orgel setzte ein, und Thea kannte die Melodie und machte den Mund auf, weil ihr die erste Zeile des Textes einfiel. Doch dann atmete sie nur flach, um die Mäntel nicht zu riechen. Fischgrät. Thea konnte das Muster erkennen, als ihre Augen sich an das Dunkel gewähnt hatten. Der Mann war klein genug, daß sie ihm in den Kragen gucken konnte, und Thea war schon klein.
    »Fischgrät«, sagte Thea.
    Der Kleine schob den Kopf in die Schultern und machte einen Schritt nach vorn.
    »Was?« fragte Nat.
    »Nichts«, flüsterte Thea.
    Der kleine Mann legte den Kopf schief, als lausche er, doch Thea sah, daß er schon wieder nach Nat schielte.
    Finsternis weichet. Eine Frauenstimme hing hoch über den anderen und machte die Liedzeile zu einer schrillen Forderung, die schon erfüllt war, denn die Lichtröhren summten in der Kuppel, und die Sänger sangen in die helle Kirche hinein.
    »Das Timing stimmt nicht«, sagte Nat, »trotzdem, es gefällt mir. Die verstehen ihr Geschäft.«
    Die Orgel malte nur noch ein paar kleine Töne unter den Satz, den Nat in das ausklingende Lied gesagt hatte.
    Er senkte den Kopf, als er die Mißbilligung in den Gesichtern sah, und guckte in das Gesangbuch, das ihm jemand in die Hand gedrückt hatte. Er sah nicht, daß der Kleine ihm zunickte.
    »Er kennt dich«, sagte Thea, »er nickt dir zu.«
    »Ich kenne ihn nicht«, sagte Nat.
    Thea versuchte, sich auf den Mann zu konzentrieren, der von der Kanzel sprach, doch sie schwankte und mußte sich an Nats Schulter halten. Der Weihrauch aus den Kesseln der Meßjungen und die Mäntel vor ihr mischten sich zu einem Geruch, den sie nicht aushielt.
    »Setz dich auf meinen Schoß«, sagte Nat.
    Thea setzte sich.
    Die Leute drehten sich nach ihnen um. Der Kleine schien den Moment zu nutzen, um näherzurücken.
    Ein Mann kam, der nach Küster aussah, und bot an, einen Sitzplatz zu suchen.
    »Danke«, sagte Nat, »sie hat einen. Wir haben unseren immer dabei.«
    Thea saß die ganze Messe lang auf Nats Schoß und stand

Weitere Kostenlose Bücher