Thekenwelt - Apéritif pour trois (German Edition)
behandeln. Oizys war glücklich und nahm ihren kleinen Kuchen überallhin mit. Ich nannte sie immer nur die 'Einhändige Oi'. Weil sie ihren Sohn immer bei sich trug, musste sie alles andere mit nur einem Arm erledigen. Es ist schade, dass wir Menschen“, sein Blick ruhte auf Biscuit, „diese frühe Zeit vergessen. Mir wird sie immer in Erinnerung bleiben, denn meine Schwester war so fröhlich und unbeschwert, wie ich diese poetische, originelle Person nicht kannte. Ihre Erkrankung machte sie zu einem Menschen, der sie nicht war, doch auch dieser andere Mensch fehlt mir nun. Ich werde nicht aufhören, sie zu vermissen, bis ich selber an ihrer Stelle liege und ein anderer über mich spricht. Ich habe ihr das Lieblingsbuch ihrer Kindheit mitgebracht und möchte es bei ihr wissen, wenn sie nun ruht.“
Biscuit schluckte schwer und Kai drückte ihm die Hand.
Die anschließende Trauerfeier fand im Gemeinschaftsraum des Haupthauses statt. Biscuits Catering-Personal bereitete ein übertriebenes Buffet, das mit großem Hallo von den Langzeitbewohnern gestürmt wurde.
Ortwin gesellte sich zu Biscuit und seinen beiden „ Lebenspartnern “, wie er mit erhobenen Brauen dachte.
„ Du hast uns Zigaretten versprochen“, erinnerte eine kleine Frau in einem schmutzigen Jogginganzug den Blonden und Tornado entschuldigte sich, um die Schachtel gerecht zu verteilen.
Ortwin blickte ihm nach und stellte fest, wie entspannt Tornado sich gegenüber den Kranken verhielt. „Lebenspartner Nummer eins scheint ein gewisses Talent für schwierige Menschen zu haben“, merkte er an.
„Scheinbar“, bestätigte Biscuit erstaunt, während er Tornados Stimme ein paar Irre dirigieren hörte. Ortwin wandte sich an Kai: „Und was ist ihr Talent, junger Mann?“
„ Oh. Ich … ich fürchte ich habe keins.“
„ Nein? Nichts was Sie gerne tun?“
Der kultivierte ältere Herr schüchterte Kai ein und nach einem kurzen Zögern offenbarte er: „Ich zeichne gerne.“
„Du zeichnest?“, fragte Biscuit verblüfft.
„ Oh, ein schöner Zeitvertreib. Sind Sie gut darin?“
Kai wurde rot. „Ich weiß nicht.“
„Sie sollten zusehen gut in dem zu werden, was Sie gerne tun. Das gestaltet das Leben um einiges erfüllter“, riet Ortwin von Metz ihm weise.
„ Kai“, rief Tornado ihn zu sich. „Hilf mir mal eben!“
Er erhob sich und nickte Biscuits Onkel respektvoll zu.
„Ein netter Junge. Ein wenig still vielleicht.“
Biscuit nickte. „Stimmt es, dass du sie vermissen wirst?“ Seine Stimme klang drängend und Ortwin ahnte, dass Biscuit sich wünschte, es sei so.
„Ja. Es stimmt. Sie war eine gute Schwester und sie hatte ziemlich viele verrückte Ideen. Irgendwann zu viele, wie du weißt. Aber viel wichtiger ist: Wirst du sie vermissen?“
Biscuit antwortete vage: „Das weiß ich erst, wenn es so weit ist.“
Ortwin schüttelte betrübt den Kopf. „Ich wünschte du hättest sie besser gekannt.“
Mit leeren Augen betrachteten sie die beiden Jungs, die zusammen am Tisch mit den Bewohnern saßen und Zahnstocher bemalten, um sie zu Nippikstäben umzufunktionieren.
„Was ist das mit diesen Herren und dir?“
Biscuit seufzte.
„Wir leben zusammen. Ich liebe die beiden.“
Ortwin ließ seinen Wangen Luft entweichen. „Pass auf, dass sie dich nicht ausnehmen.“
„Selbst wenn, wäre es mir auch recht. Ich hoffe du lädst mich trotzdem noch zu dir ein.“
Ortwin sah ihn befremdet an, bevor er erwiderte: „Natürlich. Schade, dass du den kleinen Trick mit der Kostümparty schon kennst. Hätte ich geahnt, wie sich dein Privatleben entwickelt, hätte ich damit gewartet, um mir einen kleinen Spaß aus euch zu machen.“
Biscuit lachte müde. Er wünschte sich aufstehen und gehen zu können, aber er würde bleiben müssen, bis die Gedenkfeier ihr Ende fand.
Suicune kam zu ihrem Tisch und setzte sich, um Biscuit leise mit ihrer angenehmen Stimme von den letzten Tagen seiner Mutter zu erzählen. Sie merkte nicht, dass der Koch innerlich abschaltete und die Zeit, bis er Haus Flieder endgültig verlassen konnte, absaß, ohne ihren Ausführungen zu folgen. Sein einziger Lichtblick bestand in Tornado, der die Bewohner bespielte, ihnen vereinfachte Nippik-Regeln beibrachte, den einen oder anderen gezielt gewinnen ließ und dafür sorgte, dass niemand von ihnen Biscuit belästigte. Er besaß wirklich ein Talent dafür, vollkommen Irre vollständig normal zu behandeln.
Thermalwelt
Kai schrieb mühsam an einem Text
Weitere Kostenlose Bücher