Themba
scheint es kaum zu bemerken und spricht weiter, atemlos, als gäbe es nun kein Halten mehr.
»Als er sah, wie sie mich behandelten, trat er wie wild um sich und schrie sie an, dass ich von nichts wüsste und sie kein Recht hätten, mich auch nur anzurühren, und dass sie alle Verbrecher seien und ihr ganzer Unrechtsstaat sowieso am Ende sei, und wenn nicht einer der Polizisten mit seinem Sjambok so oft auf ihn eingeschlagen hätte, bis er bewusstlos zusammenbrach, dann hätte er noch lange nicht aufgegeben.«
Mutter bemerkt erst jetzt, wie fest Nomtha ihre Hand hält. Sie streicht ihr sanft über den Kopf, ist aber nun entschlossen, die ganze Geschichte zu erzählen.
»Ich bin nach wenigen Tagen freigekommen, aber ihn haben sie für viele Monate eingesperrt. In der Zeit war ich bereits schwanger mit dir, Themba, und als du Anfang des folgenden Jahres geboren wurdest, ahnten wir noch nicht, dass sich in Südafrika schon so bald alles ändern würde. Zwei Wochen nach deiner Geburt, im Februar 1990, wurde bekannt gegeben, dass Nelson Mandela und alle anderen politischen Gefangenen freigelassen werden sollten. Ich blieb die ganze Nacht wach, hatte dich auf meinem Schoß und hörte mit Tatomkhulu stündlich die Nachrichten im Radio. Wir konnten es kaum glauben und fürchteten die ganze Zeit, dass sich doch noch alles als Irrtum herausstellen könnte und die Unterdrückung ewig weiterginge.
Der Tag, an dem euer Vater aus dem Gefängnis nach Hause kam, war der glücklichste Tag meines Lebens. Er war abgemagert und unrasiert, aber auch er strahlte und fragte mich als Erstes nach dir, unserem Sohn: ›Welchen Namen hast du ihm gegeben?‹ Ich antwortete: ›Themba - die Hoffnung. Weil ich niemals die Hoffnung verloren habe, dass du zu uns zurückkommen würdest.‹«
Mutter kann plötzlich nicht weitersprechen, Tränen stehen in ihren Augen, und sie schluckt mehrmals, um das Weinen zu unterdrücken.
Ihre Stimme zittert, als sie sagt: »So glücklich waren wir, so glücklich. Gemeinsam wollten wir ein neues Leben in Qunu beginnen... Nie mehr sollte er die Drecksarbeit in den Minen machen müssen. Tatomkhulu half uns, ein kleines Stück Land zu kaufen, auf dem wir wenig später dieses Haus gebaut haben...« Dann schaut sie plötzlich Nomtha an und zwingt sich zu einem Lächeln: »Weißt du, warum du deinen Namen bekommen hast?«
Nomtha schüttelt den Kopf: » Kwakutheni , Mama - warum?«
»Du wurdest in einem kalten dunklen Winter geboren, Nomtha. Alles von Großvater geborgte Geld hatten wir in den Bau unserer ersten Rundhütte gesteckt. Es gab wenig zu essen und in der Nacht deiner Geburt gingen uns die letzten Kerzen aus. Als endlich alle Nachbarinnen, die bei der Geburt geholfen hatten, gegangen waren und ich dich beim ersten Morgengrauen im Arm hielt, brach plötzlich der wolkige Himmel an einer einzigen Stelle auf, und ein erster Sonnenstrahl schien genau auf mein Bett. ›Die Kleine bringt Licht in unser Haus...‹, sagte dein Vater. Und ich ergänzte froh: ›Und in unser Leben...‹«
Nomtha lächelt. Ohne Zweifel gefällt ihr nicht nur ihr Name, sondern auch der Grund, warum sie ihn erhalten hat.
Doch dann wird Mutter wieder ernst. Es ist deutlich, dass sie die Geschichte nun zu Ende bringen will. »Die erste Maisernte war nicht gut. Es hatte eine lange Dürrezeit gegeben, als die junge Saat dringend Wasser benötigte. Außerdem machte euer Vater, der nie auf dem Land gearbeitet hatte, einige unnötige Fehler und schlug mehrmals den Rat von Tatomkhulu in den Wind. Nach der zweiten Missernte waren wir so verschuldet, dass er keinen anderen Ausweg sah, als für eine Weile zu der verhassten Arbeit in den Minen zurückzukehren. Aus einer Saison wurden zwei und schließlich blieb er das ganze Jahr und kam nur noch zu Weihnachten zurück nach Qunu. Aber immer hat er uns Geld geschickt, und wir dachten, dass es nicht lange dauern würde, bis alle Schulden bezahlt wären und wir einen neuen Anfang mit ein paar Schafen und Ziegen in Qunu wagen könnten. Dann aber...« Sie hält inne und greift erneut nach dem Foto, das sie neben uns auf den Boden gestellt hat. »Dann aber hörte ich mit einem Mal nichts mehr von ihm. Wochenlang kam kein Geld, und schließlich rief ich mehrfach vom Telefoncontainer in Gonya aus bei seiner Bergwerksgesellschaft an, um zu fragen, ob sie etwas von meinem Mann wüssten. Aber jedes Mal war jemand anders am Apparat, nie konnte mir jemand Auskunft geben oder sich wenigstens an mich oder an
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