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Themba

Themba

Titel: Themba Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz van Dijk
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Lange wussten wir Kinder nicht warum und erfanden alle möglichen Erklärungen: Vielleicht hatte es einen Unfall im Bergwerk gegeben? Vielleicht waren da aber auch eine neue Frau und eine andere Familie, weit weg von uns? Von einem auf den andern Tag sprach Mutter nicht mehr über Vater. Es war beinah so, als hätte es ihn nie gegeben, und viele Jahre lang hatten wir keine Ahnung, warum er uns in diesem winzigen Dorf in Qunu allein gelassen hatte. Eines jedoch stand fest: Mit Luthando, unserem Onkel, wollten wir nichts mehr zu tun haben. Nie mehr.

    Nomthas vollständiger Name lautet Mthawekhaya und bedeutet in Xhosa: diejenige, die Licht im Haus verbreitet. Aber als sie klein war, konnte sie diesen Namen selbst nicht aussprechen, und so haben wir sie eigentlich schon immer nur Nomtha gerufen...
    Jetzt sitzt sie vermutlich noch irgendwo draußen im sich langsam leerenden Stadion, obwohl ich ihr den Weg zum Presseraum genau beschrieben habe. Aber so ist Nomtha - sie mag nicht in übervollen Räumen mit lauten Menschen sein, und sie entscheidet selbst, was für sie gut ist und was nicht. Sie wird hinterher auf mich warten. Egal wie es ausgeht. Egal was Andile und alle anderen Spieler von Bafana Bafana sagen werden. Egal ob sie mich hinterher überhaupt noch mitspielen lassen werden.
    Entschlossen drehe ich den Warmwasserhahn zu und halte die Luft an, als nur noch ein kalter Strahl über meine Haut strömt. Dann ist es vorbei und ich trete tropfnass aus der Duschkabine. Ich schüttele den Kopf, um das Wasser in den Ohren loszuwerden. Andile steht immer noch am Eingang. Ob er etwas ahnt?
    » Ndiyeza - ich komme!«, rufe ich ihm zu und schnappe mir ein Handtuch.
    Er winkt ungeduldig, rührt sich jedoch nicht von der Stelle und wendet auch den Blick nicht ab, als ich mich abtrockne.
    Ich streife mir meine Trainingshose und eines unserer T-Shirts über. Es gibt kein Zurück mehr. Nicht für mich.
    Meine Geschichte beginnt mit Andile und jenen drei Fragen, die er mir lange vor jener Pressekonferenz stellte, nur mir allein, und die ich nicht gut zu beantworten wusste. Ich stotterte damals im Bus mehr oder weniger herum, und obwohl er wie immer geduldig blieb, merkte ich, dass er danach keineswegs beeindruckt war. Dabei war Andile der letzte Mensch, den ich enttäuschen wollte. Nicht weil er der große Bafana -Star war, sondern weil er mich etwas gefragt hatte, womit er mir indirekt zu verstehen gab: ›Themba, ich nehme dich ernst. Vielleicht können wir echte Freunde werden. Du bist nicht so ein Großmaul wie die anderen. Mit dir rede ich nicht nur über Frauen, Autos und Knete, wie das im Klub so üblich ist, um anzugeben. Ich frage dich, weil ich wissen will, wer du bist und was dir wichtig ist im Leben. Und wen du wirklich liebst.‹ So genau hat er das nicht gesagt, aber mir ist heute klar, dass es ihm darum ging.
    Ich entschied mich, Andile eine ehrliche Antwort zu geben. Auch wenn es nicht einfach ist. Auch wenn es lange dauern wird, genau zu berichten, wie alles gekommen ist - alles, mein ganzes verrücktes Leben, bis zu dem Augenblick unter der Dusche...

    Es war im Bus auf der Rückfahrt nach einem langen Trainingstag im Ellis Park Stadion. Wir hatten uns auf ein Freundschaftsspiel gegen Südafrikas alten Fußballrivalen Nigeria vorbereitet. Andile und ich kannten uns höchstens drei Wochen. Es war ein heißer Tag gewesen und Steve, unser Trainer, hatte das Letzte aus uns herausgeholt. Jetzt war es dunkel, der Bus rollte über die Autobahn zurück ins Camp und nur ab und zu wurde Andiles Gesicht von den Scheinwerfern entgegenkommender Autos schlaglichtartig beleuchtet. Eine Weile hatte er die Augen geschlossen, und ich dachte schon, er sei wie einige andere aus der Mannschaft längst eingeschlafen. Aber dann stieß er mich sanft in die Seite, und als ich ihm den Kopf zuwandte, begann er zu fragen: »Themba, was weißt du über deine Vorfahren?«
    Obwohl es ein moderner Bus mit Klimaanlage und allem war, brummte der Motor so laut, dass ich nicht sicher war, ob ich ihn richtig verstanden hatte.
    »Wohin wir fahren?«
    Er schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Vorfahren, Mann, deine Eltern und Großeltern und deren Eltern und so weiter... Woher du kommst! Hast du eine Ahnung?«
    Ich erschrak, weil ich merkte, wie ernst es ihm war, und fragte unsicher zurück: »Wie meinst du denn das? Meinen Vater habe ich nie richtig kennen gelernt und meine Mutter ist...«
    Ich unterbrach mich, weil ich ihm bis dahin noch

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