Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
Äonen festgestanden, dass Polly Atalante beerben würde. Und nicht ich, Apothekerstochter aus einer anderen Welt! Ich reagierte, wie so oft, unpassend. Ich brach in hysterisches Lachen aus. „Nimm es hin! Hier, Amazonenreich, bitteschön. Jetzt, los, regieren!“, brachte ich zwischen den Lachsalven hervor.
Meine Mutter sah mir befremdet zu, wie ich mich nach Luft japsend an der Lehne der Couch festhielt.
Nach und nach legte sich meine übermüdete und überforderte Erheiterung, denn nach und nach begriff ich, dass sie es ernst meinte. Deswegen hatte ich beim Empfang der Viesca-Amazonen dabei sein sollen. Deswegen hatte ich mich nicht an der Suche nach Polly beteiligen dürfen. Deswegen war sie so scharf darauf gewesen, dass ich in der Administration arbeitete. Das Los der Arbeiter war ihr vermutlich völlig egal, sie wollte nur sehen, wie ich arbeitete, argumentierte, Strategien entwickelte.
Mir wurde klar, was es bedeuten würde, wenn ich es tatsächlich in Erwägung ziehen sollte, auf Atalantes irrwitzige Idee einzugehen. Polly wäre vermutlich erleichtert, aber vielleicht auch ein bisschen enttäuscht. Atalante war noch nicht alt und bis ich an der Reihe wäre, wäre ich selbst runzlig und grau. Ich wäre gezwungen, mich mit dem Zuchtprogramm zu arrangieren – nach meiner Nacht mit Louis stieß mich diese Vorstellung mehr ab denn je. Womöglich würde ich die Macht haben, etwas zu verändern, aber da ich bei meinen Entscheidungen von der Zustimmung der anderen Amazonen abhängig wäre, würde ich doch keine großen Sprünge machen können.
Was aber schwerer wog als all das zusammen – ich würde nicht mit Louis zusammen sein dürfen. Das durfte ich auch so nicht, aber jetzt war es noch relativ einfach gewesen, unsere Liebe geheim zu halten – und selbst da hatte es nicht geklappt. Als Anführerin würde ich ständig unter Beobachtung stehen. Und als Anführerin würde er mich nicht wollen. Er würde mich hassen, weil ich dann mehr denn je das verkörperte, was er sein Leben lang abgelehnt hatte.
„Das kannst du knicken“, fuhr ich sie an. „Ich werde nicht Paiti. Nie im Leben.“
Sie rollte mit den Augen. „Natürlich wirst du das.“
„Nein. Das ist doch völliger Schwachsinn. Ich kann das gar nicht.“
„Selbstverständlich kannst du das. Du hast gestern für deine Stadt und deine Schwestern gekämpft und bist nicht einmal verletzt.“
„Doch!“ Ich streckte zum Beweis meine Handgelenke aus und drehte meine blaue Schläfe ins Licht, aber Atalante beachtete meinen Einwurf gar nicht.
„Und das, obwohl du erst so kurz trainierst. Wie mir Jacintha und auch viele andere erzählt haben, hast du die Aufräumarbeiten organisiert, dich um die Kinder gekümmert, Polly versorgt, die Verletzten im Krankenhaus besucht. Du willst etwas verändern. Du kennst die Welt da draußen. Du bist die Paiti, die Themiskyra dereinst brauchen wird.“
Ich klappte den Mund zu. Da hatte ich sie, Atalantes explizite Anerkennung meiner Leistungen, auf die ich so lange gewartet hatte. Und ich konnte sowas von drauf verzichten. Ich schüttelte den Kopf. „Mein Herz ist zu weich“, gab ich die Worte wieder, die ich mir ein ums andere Mal von ihr hatte anhören müssen. „Ich bin ungeeignet und ich werde mich nicht von Louis trennen.“
„Du musst.“ Sie runzelte ihre Stirn und schürzte ihre Lippen, da sie meine Halsstarrigkeit nicht begreifen konnte. Ihre Geduld war offensichtlich verbraucht. Aber meine auch.
„Ich muss nicht. Ich bin volljährig, ich kann tun, was ich will!“, schleuderte ich ihr entgegen.
„Hier nicht. Hier gelten unsere Gesetze. Meine Gesetze. Schlag ihn dir aus dem Kopf. Er wird verbannt“, donnerte sie und erhob sich mit einer raschen Bewegung.
„Nein!“, schrie ich ihr ins Gesicht.
„Du hast dich angreifbar gemacht mit deinem Leichtsinn! Er hat dich in der Hand, verstehst du das nicht?“
„Nein, ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!“, gab ich heftig zurück.
„Er kann dich erpressen! Wenn er dich verrät, wenn er nur irgendjemandem etwas erzählt und es macht die Runde, dann werden dich die anderen Amazonen nie als Anführerin akzeptieren.“
„Na, das wäre wohl das Beste, was mir passieren könnte!“, schnaubte ich.
„Undankbare Jahi!“, zischte sie. „Sie werden dich auch als Amazone nicht mehr annehmen. Willst du das alles aufgeben? Dein Leben hier? Deine Schwestern? Den Wohlstand, an den du dich gewöhnt hast?“
„Das ist doch alles Unsinn! Er würde
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