Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
blickte mich aus schmalen Augen an. Ihre kalte Hand krallte sich noch fester um mein Handgelenk, genau an der Stelle, wo sich die tiefen Kratzer befanden, die mir der Andrakor beigebracht hatte. Es tat weh und ich zuckte zusammen, doch Atalante schien es nicht einmal zu bemerken.
Inzwischen waren wir auf dem Hof angekommen. Die Amazonen, die sich dort gerade an die weiteren Aufräumarbeiten machten, sahen uns erwartungsvoll entgegen. Meine Mutter lächelte und grüßte im Vorbeigehen und nach einem schmerzhaften Stoß in meine Rippen zwang auch ich ein gequältes Grinsen auf meine Lippen.
Ich atmete auf, als sie mich im Schutz ihres Studierzimmers endlich losließ. Zweifelhafter Schutz , dachte ich und schluckte. Sie stand mit verschränkten Armen mitten im Raum, hatte ihre furchteinflößende Aura hochgefahren und maß mich stumm mit einem eisigen Blick. Es war einer von der Sorte, bei dem ich mich vor einer Woche, ach was, gestern Nachmittag noch vor ihre Füße geworfen hätte, um sie um Verzeihung zu bitten, nur damit er aufhörte, sich in mein Gewissen zu bohren.
Aber gestern war Vergangenheit, mehr denn je und auf so viele verschiedene Arten. Ich dachte an Louis. Er liebt mich. Und ich liebe ihn. Das ist nichts Schlimmes. Warum sollte ich mich deswegen schlecht fühlen? Ich atmete tief durch, hob mein Kinn und sah ihr fest in die Augen. „Es tut mir leid, dass du dir Sorgen um mich machen musstest. Das war nicht meine Absicht.“
„Ich habe noch nicht aufgehört, mir Sorgen zu machen.“ Ihre Stimme klang allerdings nicht sonderlich nach fürsorglicher Mutter. Mehr nach Raubkatze auf Eis. „Wie kannst du mir das antun! Uns allen! Dir selbst!“
„Wir lieben uns“, erklärte ich schlicht. „Das müsstest du doch verstehen können. Du von allen Amazonen!“
„Es besteht keine Veranlassung für dich, dieselben Fehler zu machen wie ich“, spie sie aus. „Ich kann nicht glauben, dass du so töricht bist. Hast du denn gar nichts gelernt!?“
„Ich bin dankbar, dass du diesen Fehler gemacht hast! Ich verdanke ihm mein Leben. Und das meiner Schwester“, giftete ich zurück.
„Nichtsdestotrotz war es ein Fehler und du bist das lebende Beispiel dafür. Wenn ich mich damals an die Regeln gehalten hätte, wärest du nicht in der Stadt aufgewachsen, sondern hier, im Schoße deiner Familie, und es wäre nie zu einem solchen Zwischenfall gekommen.“
„Atalante, wenn du dich an die Regeln gehalten hättest, wäre ich überhaupt nicht am Leben!“ Wie konnte sie meinen Vater dermaßen verleugnen – war ich nicht das Produkt aus beiden? War ihr nicht klar, dass ich nicht ich wäre, wenn sie mich – oder welchen Menschen auch immer – ordnungsgemäß mit irgendeinem zuchtkonformen Clanmitglied gezeugt hätte?
Sie sah mich mit gerunzelter Stirn an, wandte sich dann mit einem Ruck ab und begann, aufgebracht im Zimmer auf und ab zu gehen, was die Raubkatzen-Assoziation noch verstärkte. „Es geht jetzt nicht um mich. Es geht darum, wie wir diese Geschichte wieder in Ordnung bringen.“
Ich schnaubte nur, ließ mich mit Schwung auf die Ledercouch fallen und sah ihr zu, wie sie hin und her tigerte.
„Dir dürfte klar sein, dass du diese Beziehung sofort abbrechen musst.“ In diesem Wort lag ihre ganze Verachtung.
Ein Déjà-vu suchte mich heim. Polly hatte sich ähnlich aufgeführt, als sie von Louis und mir erfahren hatte. Und irgendwie hatte sich trotz ihres anfänglichen Entsetzens alles eingerenkt. Ich musste daran glauben, dass es auch diesmal so sein würde. Dennoch fühlte ich Angst in mir aufsteigen.
„Nein.“
Überrascht fuhr ihr Kopf zu mir herum. „Ich glaube, du hast mich nicht verstanden.“
„Doch. Aber ich kann diese Beziehung nicht abbrechen. Und ich will nicht und ich werde nicht“, erwiderte ich entschlossen. Mein Herz applaudierte euphorisch. Meine Mutter hingegen zog ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Sie stützte die Hände in die Hüften und starrte mich ebenfalls an, als wäre ich ein Alien. Aber ein ziemlich ekliges.
Ich habe gar nicht nachgesehen, ob ich noch schön bin, fiel mir ein, aber ich legte den Gedanken ganz schnell als irrelevant ab. Mit einem Mal wurde Atalantes Miene weicher und müder. Sie seufzte, ging langsam auf die Sitzgruppe zu und setzte sich mir schräg gegenüber in einen Sessel.
„Ich nehme an – ich hoffe! – das war deine erste … Liebesnacht?“ Sie klang nachsichtig. Als ich nicht antwortete – ging sie schließlich gar
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