Themiskyra – Das Versprechen (Band 2) (German Edition)
mich nie verraten, was hätte er denn davon?“
„Jetzt noch nichts. Aber glaub mir, er wird seinen Vorteil noch nutzen.“
Mir war schleierhaft, welchen Film Atalante gerade schob, und ich widersprach ihr. „Ich vertraue ihm. Er hätte mich schon lange verraten können, wenn ihm daran gelegen wäre.“
„Was willst du damit sagen?“ Die Farbe wich aus ihrem Gesicht. Ihre Hand schnappte um meinen Oberarm. „Du hast ihm doch nicht … von deiner wahren Vergangenheit erzählt?“, fragte sie mit gefährlich leiser Stimme.
Ich versuchte, mich ihrem Griff zu entziehen, aber ihre Finger hatten sich zu fest in meine Haut gegraben. „Doch. Ich habe vor Louis keine Geheimnisse.“ Nicht mehr.
In ihren Augen flackerte Panik auf, die aber rasch erneutem Zorn wich. „Wie kannst du nur so dämlich sein!“, schrie sie mich an. Sie packte auch noch meinen anderen Arm und schüttelte mich. „Du bringst alles in Gefahr, du leichtgläubige Gans! Fällst mir in den Rücken! Und du willst meine Tochter sein!“
Ich riss mich mit aller Kraft von ihr los, was mir neue Kratzer einbrachte. „Will ich gar nicht! Ich kündige“, blaffte ich und fuhr herum, um aus dem Zimmer zu stürmen. Ich hatte definitiv genug.
„Nichts da!“ Bevor ich einen Schritt machen konnte, hatte sie mich schon an der Schulter herumgerissen und zerrte mich durch den Raum.
„Lass mich sofort los!“, kreischte ich, schlug auf ihren Arm ein und stemmte die Füße in den Boden, aber die Wut verlieh ihrer Stärke neue Energie, gegen die ich nicht ankam, und so stolperte ich mit ihr. Sie öffnete die Tür zum Schlafzimmer, stieß mich in den Raum und schlug sie hinter mir zu. Ich hörte, wie ein Schlüssel zweimal im Schloss herumgedreht wurde.
Schreiend trommelte ich gegen die Tür, aber sie war mit dickem Leder gepolstert und fing jeden meiner Schläge sanft federnd ab. Auch meine Schreie verhallten dumpf und ungehört im Zimmer. Ich eilte weiter, zur Wand und bearbeitete diese mit Fausthieben und Fußtritten, aber offenbar waren die Mauern an dieser Stelle zu dick, ich hörte mein Toben selbst kaum. Alles, was ich erreichte, war, dass mir meine Arme und Beine wehtaten und meine Kehle kratzte. Schließlich gab ich es auf. Ratlos sah ich mich um.
Ich war noch nie hier gewesen. Das war das Allerheiligste meiner Mutter. Der Raum war nicht besonders groß und ähnlich eingerichtet wie unsere Zimmer, nur dass das Bett an der gegenüberliegenden Seite des Raums breiter war und sich viel mehr Gegenstände auf dem Tisch vor dem Fenster und in den Regalen stapelten. Vornehmlich Bücher, aber auch Papiere, Stifte, Schalen, Dosen, Dolche, Federn, Steine, Keramikfiguren und anderer Krimskrams. Auch die Wände waren komplett gefüllt, wo kein Regal oder Schrank stand, hingen Ölbilder und Aquarelle mit Landschaftsmalerei, ein Bogen mit drei kunstvoll befederten Pfeilen sowie ein grusliger ausgestopfter Kauz, der mich mit großen gelben Glasaugen strafend zu mustern schien. Links neben dem Bett befand sich der Zugang zum angrenzenden Bad, aber auch das war ein gefangener Raum. Keine Tür führte auf den Gang hinaus, die Flucht über Atalantes Studierzimmer war die einzige Möglichkeit.
Wahnsinn war es gewesen, den ich in ihrem Blick gesehen hatte, bevor sie mir die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte. Meine Mutter war verrückt geworden. Mit Mühe versuchte ich zu rekonstruieren, was geschehen war. Anscheinend hatte sie nach wie vor Panik, dass ihre wahre Vergangenheit herauskäme. Richtig üble, an Verfolgungswahn grenzende Panik.
Warum hab ich nur nicht den Mund gehalten? fragte ich mich. Warum bin ich nicht einfach abgehauen? Warum habe ich nicht einfach gute Miene zum bösen Spiel gemacht und mich nachts davongeschlichen? Womöglich war es noch nicht zu spät …
Ich lief wieder zur Tür. „Atalante?“, fragte ich. Vielleicht konnte sie mich doch hören. „Es tut mir leid. Können wir nochmal reden?“ Keine Resonanz. Entweder sie hörte mich nicht oder sie war nicht mehr da. Ich rüttelte an der Klinke, aber die Tür gab keinen Millimeter nach.
Was hat sie vor? Will sie mich für alle Ewigkeit hier einsperren, bis es an der Zeit ist, das Zepter an mich zu übergeben? Ich schauderte. Zuzutrauen wäre es ihr fast … Jetzt schon überfiel mich ein fast klaustrophobisches Gefühl, wenn ich daran dachte. Irgendwie muss ich hier rauskommen. Ich trat ans Fenster, auch wenn mir klar war, dass mir eine Flucht von hier oben aus nicht gelingen würde. Aber
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