Thennberg oder Versuch einer Heimkehr
Automobile laufen gehabt und besaß nebenbei zwei Mietshäuser und außerdem einen Rennstall auf der Freudenau.
Er, Jakob Rombach, war als kleines Kind nach Ungarn gebracht worden, in das Städtchen Vác oder Waizen, wo es einen Triumphbogen gab und ein Gefängnis, und zwischen den beiden einen Wochenmarkt; in Vác sind die Eltern des Jakob Rombach gestorben, er war acht oder neun, lebte bei irgendwelchen entfernten Verwandten, die ihn anstandshalber bei sich wohnen ließen, aber in die Schule schickten sie ihn nicht, und ein ordentliches Handwerk ließen sie ihn auch nicht lernen; da lungerte er also herum, in Vác, auf dem Wochenmarkt, stand da, weil er nichts Besseres zu tun hatte als dazustehen und ratlos in die Luft zu blicken, und auf einmal sah er ein Zelt, wie man sie auf ähnlichen Wochenmärkten oft hatte sehen können, neben dem Eingang des Zeltes hing eine Tafel, auf der geschrieben stand, dass man hier in allen Fragen des Lebens für wenig Geld Rat erhalten könne, und da er ratloswar, ging er hinein und sagte dem Mann, der hinter einem Tisch saß, er möge ihm etwas raten, irgend etwas, aber es dürfe nicht mehr als zwei Kreuzer kosten. Der Mann nahm die zwei Kreuzer und sagte: Für zwei Kreuzer kann ich Ihnen den Rat geben, sich tief nach vorne zu beugen, wenn Sie sich die Hände waschen, sonst fließt Ihnen das Wasser in die Ärmel. Jakob Rombach bedankte sich, ging fort, und wurde dann ein reicher Mann nur auf Grund dieses Rates, denn er nahm von da an, wie es jener Mann im Zelt getan hatte, jedes Geld, das man ihm gab, und war es noch so wenig, und gab für das Geld genau, was des Geldes Wert war, niemals mehr, aber auch niemals weniger, gab es höflich und ernst, er benahm sich wie sich jener Mann im Zelt benommen hatte, ein reifer Mensch mit bereits grauem Haar einem neunjährigen Knaben gegenüber. So konnte er später seiner älteren Tochter, als sie sich nicht vermählen wollte, jene Garconniere kaufen, und hierher hatte sich dann Ferdinand Kranz, der eigentlich die jüngere Tochter hofierte, verirrt, da er sich ebenfalls für Psychoanalyse interessierte und für Bewegungskunst und für Rudolf Steiner und für Marxismus und für afrikanische Musik. Er war Bankbeamter.
Paula saß meistens zu Hause, in der großen dämmrigen Wohnung des verstorbenen Jakob Rombach, und spielte Klavier, wie es sich gehörte. Elfriede hatte da bereits Leichenteile präpariert gehabt. Auch war sie auf die fröhlichste Art entschlossen, für die Freiheit des Menschengeschlechtes, wenn es unbedingt sein musste, ihr Leben zu opfern, während Paula bloß in den einen Menschen Ferdinand Kranz verliebt war. Sie heiratete dann, vielspäter, nach Zürich, in eine Gesangschule, in der sie weiterhin Klavier spielte, während ihr Mann die Geschäfte führte, ein schöner Italiener, ehemals Opernsänger, mit Knoten an den Stimmbändern zuerst, mit Knoten, die sich zuletzt als erste Zeichen des beginnenden Kehlkopfkrebses erweisen sollten. Die Gesangschule gehörte einem Schweizer, der mit Teppichen handelte und für Opern schwärmte. Er unterstützte Tante Paula nach dem Tod ihres Mannes, war in sie, angeblich, hoffnungslos verliebt, vielleicht aber hoffte er nur, hoffnungslos verliebt sein zu können, da Tante Paula zu anständig war, viel zu gewissenhaft, um für die Apanage, die sie monatlich erhielt, nicht etwas zu leisten, etwas, das ihr verhältnismäßig wenig Mühe machte – doch konnte man darüber höchstens mutmaßen, die Angelegenheit ging ja schließlich niemanden etwas an, bloß Eduard Kranz zeigte ein Körnchen Wissen, indem er die abgebissenen Zigarrenspitzen in die von Tante Paula geschenkte chinesische Vase spuckte, mit der Bemerkung: Ein gar schröcklicher Topf, aber wenigstens mit ehrlicher Arbeit erworben.
Die Mutter mochte solche Reden nicht; die Leichen, die sie in ihrer Jugend seziert hatte, waren in Formalin schaukelnd aus ihrer Erinnerung davongeschwommen, die Psychoanalyse war zum Stoff gelehrter Konversation geschrumpft, die Bewegungskunst, Rudolf Steiner, der Marxismus und die afrikanische Musik waren für sie ungefähr dasselbe wie für andere Frauen ihres Alters die trockenen gepressten Blumen in einem Gebetbuch; die Mutter zog sich also in ihr Schlafzimmer zurück, kommen Sie, Fräulein Moravec, besichtigen Sie das Schlafzimmer, die Fensterläden sind ja noch intakt, auch ein Bürosessel steht da, den hat es damals noch nicht gegeben, oder wenigstens nicht in diesem Zimmer, aber dort in der
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