Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
abgelehnt werden, nur weil seine Eltern am falschen Ort geboren wurden.«
Mr. Mount konnte ein Lächeln kaum unterdrücken. Theo war auf der Erfolgsspur, und er wusste es. In seiner Stimme lag genau die richtige Spur von Empörung, keine überzogene Dramatik, nur so viel, dass klar wurde, was er dachte: Das liegt doch auf der Hand, wie kann jemand das nicht kapieren? Mr. Mount kannte das von früher. Theo setzte zum vernichtenden Schlag an.
Der dritte Finger stach in die Luft. » Mein letzter Punkt ist…« Er legte eine Pause ein, holte Luft und blickte sich im Auditorium um– sichtlich davon überzeugt, dass sein letztes Argument, was auch immer es sein mochte, so einleuchtend und zutreffend war, dass im Saal nicht der geringste Zweifel mehr möglich sein würde.
» In zahlreichen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Menschen mit Hochschulabschluss mehr Chancen, bessere berufliche Möglichkeiten und ein höheres Gehalt haben als andere. Ein Studium ist das Sprungbrett zu einem besseren Leben. Und höhere Gehälter bedeuten höhere Steuereinnahmen, mit denen wiederum bessere Schulen und Universitäten finanziert werden können. Menschen ohne gute Ausbildung sind stärker von Arbeitslosigkeit bedroht, mit allen Problemen, die dies mit sich bringt.«
Theo legte erneut eine Pause ein und griff mit der Hand bedächtig an den obersten Knopf seines Sakkos. Er wusste, dass der Knopf perfekt saß, aber er wollte absolute Gelassenheit demonstrieren.
» Zum Abschluss möchte ich betonen, dass der Versuch, Studenten, deren Eltern illegal ins Land gekommen sind, den Zugang zu unseren Hochschulen zu verwehren, schon im Ansatz falsch ist. Mehr als zwanzig Bundesstaaten haben solche Gesetzesvorlagen bereits abgelehnt. Aus diesem Grund hat das Justizministerium in Washington vorsorglich angekündigt, unseren Bundesstaat zu verklagen, falls ein derartiges Gesetz verabschiedet wird. Die Vereinigten Staaten sind das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, und wir haben alle Vorfahren, die irgendwann einmal als Einwanderer hierhergekommen sind. Wir sind eine Nation von Einwanderern. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.«
Mr. Mount erschien am Rand der Bühne, als Theo zu seinem Platz zurückkehrte. Er lächelte.
» Applaus für beide Teams, bitte!«
Das Publikum, das ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass während der Debatte weder positive noch negative Meinungsäußerungen zulässig waren, klatschte begeistert.
» Eine kurze Pause«, verkündete Mr. Mount.
Theo, Aaron und Joey sprangen auf und gingen zur anderen Seite des Podiums, wo sie dem Team der Central Middleschool die Hand schüttelten. Alle sechs waren froh, dass sie es hinter sich hatten. Theo nickte seinem Vater zu, der den Daumen hob. Gut gemacht!
Wenige Minuten später verkündeten die Juroren ihre Entscheidung.
Zwei
Krawatte und Sakko hatte er abgelegt, und in seiner normalen Hose fühlte Theo sich deutlich wohler, obwohl das Hemd mit dem weißen geknöpften Kragen ihm noch etwas zu schick war. Der Unterricht war vorbei, der Schlussgong verhallt, und Theo war an diesem Mittwoch unterwegs zu seinem Wahlkurs im Musiksaal. Dabei traf er immer wieder Achtklässler, die ihm zu seiner – wie üblich – hervorragenden Leistung gratulierten. Theo lächelte und gab sich unbeeindruckt, doch im tiefsten Inneren war er recht zufrieden mit sich. Er genoss den Sieg, aber ohne jede Eitelkeit.
» Werd bloß nicht überheblich«, hatte ihn ein erfahrener Prozessanwalt einst gewarnt. » Schon beim nächsten Geschworenenprozess kannst du mit Pauken und Trompeten untergehen.« Und die nächste Debatte konnte sich als Desaster erweisen.
Er ging durch den großen Musiksaal in ein kleineres Übungszimmer, in dem einige Schüler ihre Instrumente auspackten und sich für den Unterricht vorbereiteten. April Finnemore inspizierte gerade ihre Geige, als Theo hereinkam.
» Tolle Leistung«, sagte sie leise. April sprach selten so laut, dass Umstehende mithören konnten. » Du warst der Beste.«
» Danke. Und danke, dass du gekommen bist. Es waren ganz schön viele Leute da.«
» Du wirst ein großer Anwalt sein, Theo.«
» Das habe ich fest vor. Wie das mit Musik zu vereinbaren ist, weiß ich allerdings nicht so genau.«
» Musik ist immer gut«, sagte sie.
» Wenn du meinst.« Theo öffnete einen großen Koffer und holte vorsichtig ein Cello heraus, das er von der Schule ausgeliehen hatte. April und ein paar weitere Schüler hatten sich ihre Instrumente gekauft.
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