Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
stand er auf, streckte sich, als hätte er sich seit Stunden nicht von der Stelle gerührt, und wartete gespannt.
Theo kam mit dem Rucksack zur Tür herein und sagte » Hallo, Elsa«, wie er es jeden Tag tat.
Elsa sprang auf, kniff ihn in die Wange und wollte wissen, wie es ihm in der Schule ergangen war.
Ging so.
Sie rückte seinen geknöpften Kragen zurecht. » Dein Vater sagt, du hast eine überragende Debatte abgeliefert. Stimmt das?«
» Wird schon so sein«, erwiderte Theo. » Wir haben gewonnen.«
Judge saß mittlerweile schwanzwedelnd vor Theo und wartete darauf, dass der Junge mit ihm redete und ihm den Kopf kraulte.
» In einem richtigen Hemd siehst du gleich ganz anders aus«, lobte Elsa.
Theo hatte das erwartet, weil Elsa seine Kleidung so gut wie immer kommentierte. Sie war älter als seine Eltern, kleidete sich aber wie eine Zwanzigjährige mit exotischem Geschmack. Für Theo war Elsa wie eine Großmutter, ein sehr wichtiger Mensch in seinem Leben.
Theo sagte ein paar Worte zu seinem Hund und kraulte ihm den Kopf.
» Ist meine Mutter da?«, fragte er dann.
» Ist sie, und sie wartet schon auf dich«, verkündete Elsa voller Elan. Die Frau hatte einfach zu viel Energie. » Und sie ist sehr enttäuscht, dass sie die Debatte verpasst hat, Theo.«
» Macht nichts. Sie muss ja auch mal arbeiten.«
» Ja, das muss sie. In der Küche stehen Brownies.«
» Wer hat die gebacken?«
» Die Freundin von Vince.«
Theo nickte erfreut und verschwand im Gang, wo seine Mutter ihr Büro hatte. Die Tür stand offen, und sie winkte ihn herein. Er setzte sich, Judge ließ sich neben ihm auf den Boden fallen. Mrs. Boone war am Telefon und lauschte aufmerksam. Ihre Stöckelschuhe standen neben dem Schreibtisch, was bedeutete, dass sie einen langen Tag am Gericht hinter sich hatte. Mit siebenundvierzig war Marcella Boone etwas älter als die meisten Mütter von Theos Freunden und sie legte Wert darauf, bei Gerichtsterminen gut angezogen zu sein. Im Büro sah sie das nicht so streng, aber in Verhandlungen trat sie sehr elegant auf, und dazu gehörten auch Schuhe mit hohen Absätzen.
Mr. Boone , der sein Büro oben hatte, ging nur selten vor Gericht, und sein Äußeres war ihm weitgehend gleichgültig.
» Herzlichen Glückwunsch«, sagte sie, während sie auflegte. » Dein Vater sagt, du warst brillant. Es tut mir furchtbar leid, dass ich nicht da sein konnte, Theo.«
Sie unterhielten sich eine Weile über die Debatte, wobei Theo die Argumentation des Teams der Central Middleschool und die Gegenargumente seines eigenen Teams erläuterte. Nach ein paar Minuten bemerkte seine Mutter jedoch einen Unterton. Theo wunderte sich oft über ihr Gespür dafür, dass etwas nicht stimmte. Wenn er versuchte, ihr einen Streich zu spielen oder ihr etwas vorzumachen, war das meist vergebliche Liebesmüh. Sie brauchte ihn nur anzusehen und wusste sofort, was in ihm vorging.
» Was ist los, Theo?«, fragte sie.
» Das mit mir und dem Cello kannst du vergessen«, sagte er und erzählte ihr die Geschichte von dem Musikkurs, den es nicht mehr gab. » Ich finde das nicht in Ordnung. Mr. Sasstrunk war ein hervorragender Lehrer. Die Arbeit hat ihm Spaß gemacht, und ich glaube, er war auf das zusätzliche Einkommen angewiesen.«
» Das ist furchtbar, Theo.«
» Wir haben mit Mrs. Gladwell gesprochen, und sie hat uns von den Kürzungen erzählt, die das Schulamt angeordnet hat. Trainer, Hausmeister, Kantinenpersonal. Es ist ganz schlimm, und sie kann nichts dagegen unternehmen. Sie meinte, wir könnten uns beim Schulbeirat beschweren, aber wenn kein Geld da ist, ist keins da.«
Mrs. Boone drehte ihren Stuhl zu einem schmalen, eleganten Aktenschrank und fing an zu suchen. Wenn Mr. Boone im ersten Stock eine Akte brauchte, wühlte er sich einfach durch die chaotischen Papierberge, die sich nach einem nur ihm selbst bekannten System auf seinem Schreibtisch türmten. Auch unter und neben seinem Schreibtisch stapelten sich die Unterlagen, und immer wieder rutschten Dokumente von einem Haufen einfach auf den Boden. Mrs. Boones Büro war hochmodern und absolut ordentlich, alles lag an seinem Platz. Mr. Boones Büro war alt, angestaubt und chaotisch. Trotzdem hatte Theo oft festgestellt, dass sein Vater Akten fast ebenso schnell fand wie seine Frau.
Sie drehte sich zu ihrem Schreibtisch zurück und studierte ein paar Unterlagen. » Letzte Woche kam eine junge Frau zu mir, die sich scheiden lassen wollte. Eine sehr traurige Geschichte.
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