Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
jeden Fall, aber er wusste aus Erfahrung, dass das vorüberging. Wenn es begann, war das Kribbeln im Bauch rasch verflogen. Er tippte gegen das Mikrofon und sah den Moderator an.
» Danke, Mr. Mount«, sagte er.
Dann wandte er sich dem Team der Central Middleschool zu, räusperte sich, ermahnte sich noch einmal, langsam und deutlich zu sprechen, und begann seine Erwiderung.
» Ich muss Mr. Bledsoe zustimmen: Menschen, die gegen unsere Gesetze verstoßen, sollten nicht von unseren Gesetzen profitieren. Und es ist auch richtig, dass sich viele amerikanische Schüler, die– wie ihre Eltern– hier geboren sind, ein Studium nicht leisten können. Das sind Argumente, die wir nicht ignorieren dürfen.«
Theo holte kurz Luft und richtete seine Aufmerksamkeit auf die Zuschauer, ohne jedoch Blickkontakt aufzunehmen. Er hatte sich in seiner Zeit im Debattierclub einige Tricks angeeignet, und zu den wichtigsten gehörte, die Gesichter in der Menge zu ignorieren. Sie konnten einen ablenken und aus dem Konzept bringen. Stattdessen nahm Theo Gegenstände ins Visier– einen leeren Stuhl auf der rechten Seite, eine Uhr an der hinteren Wand des Saals, ein Fenster auf der linken Seite– und ließ während seiner Rede den Blick von einem Objekt zum anderen wandern. Das vermittelte den überzeugenden Eindruck, dass Theo mit seinem Publikum auf einer Wellenlänge war, dass ihm die Kommunikation mit seinen Zuhörern aufrichtig am Herzen lag. Er schien am Pult in seinem Element zu sein, das kam bei den Juroren immer gut an.
» Allerdings haben sich die Kinder von Arbeitnehmern ohne Papiere– früher wurden sie als illegale Einwanderer bezeichnet– nicht ausgesucht, wo sie geboren wurden und wo sie leben. Ihre Eltern haben die Entscheidung getroffen, illegal in die Vereinigten Staaten einzuwandern, und zwar vor allem, weil sie nicht genug zu essen hatten und auf der Suche nach Arbeit waren. An unserer Schule wie auch an der Central Middleschool und an praktisch jeder Schule im Bezirk gibt es Kinder, die eigentlich nicht dort sein dürften, weil ihre Eltern gegen das Gesetz verstoßen haben. Aber wir nehmen sie auf, akzeptieren sie, und unser System bildet sie aus. Oft sind sie unsere Freunde.«
Es war ein brandaktuelles Thema. Im Bundesstaat machte sich eine Bewegung breit, die lautstark forderte, Kindern von Arbeitnehmern ohne Papiere den Zugang zu staatlichen Hochschulen zu verwehren. Die Befürworter dieses Verbots behaupteten, die » Illegalen« würden erstens in Massen die Universitäten überschwemmen, zweitens amerikanische Studenten verdrängen, die den erforderlichen Notendurchschnitt nur mit Mühe erreicht hatten, und drittens von » richtigen« US -Bürgern gezahlte Steuergelder in Millionenhöhe verschlingen. Das Team der Central Middleschool hatte diese Punkte in der Debatte bereits überzeugend dargelegt.
» Laut Gesetz«, fuhr Theo fort, » sind unsere Schulen wie alle Schulen dieses Bundesstaates verpflichtet, alle Schüler unabhängig von ihrer Herkunft aufzunehmen und zu unterrichten. Wenn der Staat für die ersten zwölf Jahre zahlt, wie könnte er dann diesen jungen Leuten die Tür vor der Nase zuschlagen, wenn sie ein Studium aufnehmen wollen?«
Theo hatte ein Blatt Papier mit Notizen vor sich auf dem Pult liegen, vermied aber jeden Blick darauf. Die Juroren legten Wert auf freie Rede, und Theo wusste, dass er Punkte sammelte. Alle drei Jungen von der Central Middleschool hatten sich auf ihre Notizen verlassen.
Er hob einen Finger. » Erstens ist es eine Frage der Fairness. Unsere Eltern sagen uns allen immer, wir sollen studieren. Das ist Teil des amerikanischen Traums. Deswegen finde ich es unfair, unsere Mitschüler und Freunde per Gesetz daran zu hindern, an die Uni zu gehen.« Er hob den zweiten Finger. » Zweitens ist Wettbewerb immer von Vorteil. Mr. Bledsoe ist der Ansicht, dass US -amerikanische Bürger Vorrang bei der Hochschulzulassung bekommen müssen, weil ihre Eltern zuerst hier waren, auch wenn manche dieser Schüler nicht so qualifiziert sind wie die Kinder von Arbeitnehmern ohne Papiere. Sollten unsere Hochschulen nicht die Besten aufnehmen– ohne Wenn und Aber? In diesem Bundesstaat gibt es jedes Jahr Plätze für dreißigtausend Studienanfänger. Warum sollte irgendwer bevorzugt werden? Ist es nicht zu ihrem eigenen Vorteil, wenn unsere Hochschulen die besten Schulabgänger aufnehmen? Natürlich ist es das! Niemand darf zugelassen werden, der es nicht verdient, und niemand darf
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