Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
wurden mit wütenden Anrufen und noch wütenderen E-Mails überschwemmt, empörte Bürger erschienen sogar in den Räumlichkeiten des Verwaltungsrats und forderten ein persönliches Gespräch. Flay war auch in der Jackson Elementary School gewesen und hatte mehrere Eltern interviewt. Eine Mutter von vier Kindern behauptete, siebzehn Wahlberechtigte in ihrer erweiterten Familie zu haben, von denen nicht einer je wieder für ein Ratsmitglied stimmen würde, das die Umgehungsstraße befürwortete. Eine andere Mutter erklärte, sie werde ihre beiden Kinder von der Schule nehmen und privat unterrichten lassen. Ein wütender Vater sagte, er sei dabei, andere Familien zu organisieren und Geld für Anwälte zu sammeln, um die Umgehungsstraße auf dem Rechtsweg zu bekämpfen. Eine Vorschullehrerin, die anonym bleiben wollte, zeigte sich entsetzt darüber, dass die Sicherheit der Kinder so vernachlässigt wurde.
Erwartungsgemäß war Mr. Mitchell Stak das einzige Verwaltungsratsmitglied, das mit der Presse reden wollte. Er behauptete, das Video nicht gesehen zu haben, bezeichnete es aber vorsorglich als » albernen Kinderkram«. Anrufe, E-Mails, Briefe und persönliche Besuche seien ihm willkommen. » Das ist gelebte Demokratie«, sagte er. » Ich glaube an den ersten Verfassungszusatz, der die Meinungsfreiheit gewährleistet, und fordere alle Bürger in meinem Bezirk auf, sich zu äußern.« Dann erging er sich in Lobpreisungen der Vorteile der Umgehungsstraße.
» Und kein Wort darüber, dass sich dein Schwiegersohn eine goldene Nase verdient, wenn das Projekt durchgeht«, murmelte Theo vor sich hin.
Es klopfte leise, dann öffnete sich die Tür. Mrs. Boone kam herein.
» Guten Morgen, Theo. Du konntest es wohl nicht erwarten, die Zeitung zu lesen?«
Theo grinste. Ertappt. » Guten Morgen, Mom.«
» Ich habe heiße Schokolade gemacht«, sagte sie, mit zwei großen Bechern in der Hand.
» Danke, Mom.« Sie setzte sich direkt neben Judge, der offenbar auch gern heiße Schokolade gehabt hätte, auf Theos Bett. » Schöner Artikel, was?«
» Sehr schön«, erwiderte Theo. » Ich hatte mir schon Gedanken gemacht.«
» Gut. Es ist immer angebracht, sich Gedanken zu machen, wenn man mit Reportern zu tun hat. Aber ich finde, Norris Flay hat ausgezeichnete Arbeit geleistet.«
» Hat Dad den Bericht auch gelesen?«
» O ja. Wir haben in der Küche schon darüber geredet.«
» Ist er verärgert?«
Sie tätschelte ihm das Knie. » Nein, Theo. Dein Vater und ich, wir sind beide stolz auf dich. Wir machen uns nur ein wenig Sorgen, dass du in einen Konflikt hineingezogen wirst, der nichts für Kinder ist.«
» Ach wirklich, Mom? Und was ist mit den Kindern, die da draußen zur Schule gehen und Fußball spielen? Den Kindern, die Dieselabgase einatmen müssen? Was ist mit Kindern wie Hardie, deren Familien ihr Land verlieren, und den Kindern, deren Heim dem Erdboden gleichgemacht werden soll?«
Mrs. Boone trank einen Schluck aus ihrer Tasse und lächelte Theo an. Er hatte recht, und sie wusste es. Aber ihm war nicht klar, wie brutal es in der Politik zugehen konnte, wenn der Einsatz so hoch war. » Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten, Theo. Dein Vater und ich wollen dich nur schützen.«
» Das weiß ich, das kannst du mir glauben.«
Es entstand eine lange Pause, während beide auf den Boden starrten. Theo trank einen großen Schluck.
» Mom«, sagte er dann, » nächsten Donnerstag ist die öffentliche Anhörung. Da will ich unbedingt hin. Seid ihr damit einverstanden, du und Dad?«
» Natürlich, Theo. Ich werde auch da sein. Ich bin gegen die Umgehungsstraße, und ich will, dass der Verwaltungsrat das erfährt.«
» Super, Mom. Was ist mit Dad?«
» Der wird sich das vermutlich schenken. Er mag keine langen Sitzungen, das weißt du doch.«
» Alles klar.«
Sie ging, und Theo folgte ihr gemeinsam mit Judge nach unten. Diesmal absolvierte er sein morgendliches Ritual– Dusche, Zähne, Spange, Kleidung und Frühstück– noch schneller als sonst.
Er konnte es nicht erwarten, in die Schule zu kommen.
Sechsundzwanzig
Sp ä tabends, hinter verschlossener Tür, klappte Theo in seinem Zimmer seinen Laptop auf und fing an zu tippen. Es war ein Brief, über dem er schon seit Tagen brütete, und obwohl er ihn vielleicht nie absenden würde, wollte er ihn auf jeden Fall parat haben.
Sehr geehrter Mr. Mitchell Stak,
in meinem Besitz befinden sich Papiere, aus denen eindeutig hervorgeht, dass Ihr Schwiegersohn Stu
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