Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Tribüne gesessen, beiläufig das Spiel verfolgt, in Wirklichkeit aber die zweiundzwanzig Mädchen auf dem Feld und der Ersatzbank gemustert. Heute war das anders. Er wollte bloß weg, auf sein Rad, Suchzettel verteilen, irgendwas tun, um bei der Suche nach April zu helfen.
Es war ein ganz schlechter Tag für ein Spiel, welcher Art auch immer. Die Strattenburger Schüler waren nicht bei der Sache. Spielerinnen und Fans fehlte die Energie. Selbst das gegnerische Team aus dem siebzig Kilometer entfernten Elksburg wirkte niedergeschlagen. Als zehn Minuten nach Spielbeginn ein Hubschrauber über das Feld flog, stockte das Spiel und die Mädchen sahen besorgt zum Himmel.
Wie erwartet, schlenderte Mr. Mount unauffällig zu einer Gruppe Kolleginnen. Das am schlechtesten gehütete Geheimnis der Schule war, dass Mr. Mount ein Auge auf Miss Highlander geworfen hatte, eine sehr attraktive Lehrerin, die in der siebten Klasse Mathematik unterrichtete und selbst erst vor zwei Jahren vom College gekommen war. Die Jungen der siebten und achten Klasse waren insgeheim ausnahmslos bis über beide Ohren in sie verliebt, und offenkundig interessierte sich auch Mr. Mount für sie. Er war Mitte dreißig, Single, mit Abstand der coolste Lehrer der ganzen Schule, und die sechzehn Schüler, deren Klassenlehrer er war, drängten ihn, sich um Miss Highlander zu bemühen.
Als sich Mr. Mount absetzte, nutzte Theo die Gelegenheit. Wie er ganz richtig vermutete, war Mr. Mount abgelenkt; es war also der ideale Augenblick, um unauffällig zu verschwinden. Theo und drei andere Schüler verließen den Fußballplatz und flitzten schon bald auf ihren Rädern davon. Diesmal war der Suchtrupp bewusst klein gehalten. Am Vortag waren zu viele Teilnehmer dabei gewesen, mit zu vielen unterschiedlichen Meinungen. Hektische Aktivität konnte Beamte wie Officer Bard auf den Plan rufen. Außerdem hatten sich weniger Freiwillige gemeldet, als Theo und Woody die Aktion im Laufe des Schultags organisierten. Theos Gefühl, etwas unternehmen zu müssen, wurde von den meisten seiner Klassenkameraden nicht geteilt. Alle waren beunruhigt, aber viele hielten nichts davon, dass Kinder auf Fahrrädern nach April suchten. Die Polizei verfügte über Einsatzteams, Hubschrauber, Hunde und jede Menge Personal. Wenn die April nicht fanden, war es aussichtslos.
Theo kehrte zusammen mit Woody, Aaron und Chase nach Delmont zurück. Ein paar Minuten lang durchstreiften sie die Straßen, um sicherzugehen, dass die Luft rein war. Da keine Cops in Sicht waren, fingen sie in aller Eile an, Handzettel zu verteilen und an Strom- und Telefonmasten zu heften. Sie inspizierten ein paar leer stehende Gebäude, suchten hinter heruntergekommenen Wohnblocks, kämpften sich durch einen überwucherten Graben, sahen unter zwei Brücken nach und kamen insgesamt gut voran, als plötzlich Woodys älterer Bruder anrief. Woody erstarrte, hörte angespannt zu und erstattete den anderen Bericht: »Die haben unten am Fluss was gefunden.«
»Was denn?«
»Keine Ahnung, aber mein Bruder hört den Polizeifunk mit. Da ist echt was los. Die gesamte Polizei ist auf dem Weg zum Fluss.«
Theo zögerte keinen Augenblick. »Fahren wir.«
Sie rasten los. Weg aus Delmont, vorbei am Stratten College und ins Stadtzentrum. Am östlichen Ende der Main Street waren Polizeifahrzeuge zu sehen, Dutzende Beamte liefen herum. Die Straße war blockiert, der Bereich unter der Brücke abgesperrt. Die Atmosphäre war angespannt. Außerdem herrschte ein Höllenlärm: Zwei Hubschrauber schwebten über dem Fluss. Geschäftsinhaber und ihre Kunden standen auf den Gehwegen, gafften in die Ferne und warteten, dass etwas passierte. Der Verkehr wurde von Brücke und Fluss weggeleitet.
Während sich die Jungen noch orientierten, tauchte neben ihnen ein weiteres Polizeifahrzeug auf. Der Fahrer ließ sein Fenster herunter und grinste höhnisch. »Was macht ihr denn hier?« Officer Bard. Schon wieder.
»Wir fahren Rad«, erwiderte Theo. »Das ist nicht verboten.«
»Werd bloß nicht frech, Boone. Wenn ich euch irgendwo am Fluss erwische, nehme ich euch hoch, darauf könnt ihr euch verlassen.«
Theo fielen spontan verschiedene clevere Antworten ein, mit denen er sich jedoch nur noch mehr Ärger eingehandelt hätte. Also biss er sich auf die Zunge. »Ja, Sir« war alles, was er sagte.
Bard grinste selbstgefällig und fuhr in Richtung Brücke davon.
»Kommt mit«, sagte Woody, und schon rasten sie los. Woody lebte im Stadtteil East
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