Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
bestätigte Bolick. »Wir suchen auch nach dem Vater. Laut Aussage der Mutter hat sie jedoch gestern mit ihm gesprochen, da war er angeblich mit seiner Band irgendwo in West Virginia. Sie ist davon überzeugt, dass er nichts mit der Sache zu tun hat.«
»April kann ihren Vater nicht ausstehen«, platzte Theo heraus, verwünschte sich aber sofort dafür.
Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten, doch es gab nicht mehr viel zu sagen. Die Beamten bedankten sich bei den Boones für ihr Kommen und versprachen, sich wieder zu melden. Mr. und Mrs. Boone sagten, sie seien den ganzen Tag in der Kanzlei zu erreichen, falls sie gebraucht würden. Theo müsse natürlich zur Schule.
»Das arme Mädchen«, sagte Mrs. Boone, als sie losfuhren. »Aus dem eigenen Zimmer entführt.«
Mr. Boone, der am Steuer saß, warf einen Blick über die Schulter. »Alles in Ordnung, Theo?«
»Glaub schon«, antwortete der.
»Natürlich ist nicht alles in Ordnung, Woods. Seine Freundin ist gerade entführt worden.«
»Ich kann für mich selbst sprechen, Mom«, protestierte Theo.
»Natürlich kannst du das, Schätzchen. Ich hoffe nur, sie finden sie, und zwar bald.«
Im Osten schimmerte der Himmel schon ein wenig heller. Während sie durch die Straßen des Wohnviertels rollten, hielt Theo nach dem abgebrühten Gesicht von Jack Leeper Ausschau. Aber es war kein Mensch zu sehen. In den Häusern gingen allmählich die Lichter an. Die Stadt erwachte.
»Es ist fast sechs«, stellte Mr. Boone fest. »Ich schlage vor, wir gehen zu Gertrude und frühstücken die weltberühmten Waffeln. Was meinst du, Theo?«
»Ich bin dabei«, erwiderte Theo, der eigentlich gar keinen Appetit hatte.
»Tolle Idee, Schatz«, sagte Mrs. Boone, obwohl alle drei wussten, dass sie nur Kaffee trinken würde.
Zwei
Gertrude’s war ein altes Diner in der Main Street, sechshundert Meter westlich vom Gericht und dreihundert Meter südlich von der Polizeistation. Angeblich waren die dort servierten Nusswaffeln weltberühmt, aber Theo hatte da so seine Zweifel. Kannten die Menschen in Japan und Griechenland wirklich Gertrudes Waffeln? Kaum vorstellbar. Theo hatte sogar Schulfreunde in Strattenburg selbst, die noch nie von Gertrude’s gehört hatten. Ein paar Kilometer westlich der Stadt stand direkt an der Hauptausfallstraße ein altes Blockhaus mit einer Zapfsäule, an dem ein großes Schild für »Dudleys weltberühmte Karamellbonbons« warb. Als Theo kleiner war, hatte er fest geglaubt, die ganze Stadt sei wild auf diese Karamellbonbons und rede von nichts anderem. Wie sonst hätten sie weltberühmt werden sollen? Bis eines Tages im Unterricht das Gespräch zufällig auf das Thema Import und Export kam. Theo erwähnte Mr. Dudley mit seinen Karamellbonbons als großen Exporteur. Laut Plakat vertrieb er schließlich ein Produkt von Weltruf. Zu seiner Überraschung hatte nur ein Einziger seiner Klassenkameraden je von diesen Karamellbonbons gehört. Theo dämmerte, dass M r. Dudley wohl ein wenig übertrieben hatte. Allmählich verstand er, was irreführende Werbung war.
Seit damals war er misstrauisch, wenn jemand großspurig mit seiner Bekanntheit prahlte.
Aber an diesem Morgen interessierte er sich weder für Waffeln noch für Karamellbonbons, ob sie nun berühmt waren oder nicht. Seine Gedanken kreisten um April und diesen schmierigen Jack Leeper. Die Boones saßen in dem überfüllten Lokal an einem kleinen Tisch. Der Geruch von Speck und starkem Kaffee hing in der Luft, und April Finnemores Entführung war – wie Theo feststellte, kaum dass er saß – das große Thema. Rechts von ihnen unterhielten sich vier uniformierte Polizeibeamte lautstark über die Möglichkeit, dass sich Leeper in der Stadt herumtrieb. Die älteren Männer am Tisch links von ihnen kannten sich offenbar mit allem aus, aber auch hier drehte sich das Gespräch vor allem um die Entführung.
Die Speisekarte prahlte mit den weltberühmten Waffeln. Da Theo solch betrügerische Machenschaften nicht unterstützen wollte, bestellte er Rührei mit Würstchen. Sein Vater nahm die Waffeln, seine Mutter weißen Toast ohne alles.
Als die Kellnerin gegangen war, knöpfte sich Mrs. Boone Theo vor. »Raus mit der Sprache. Mit irgendwas hältst du hinter dem Berg.«
Theo fand diese Fähigkeit seiner Mutter immer wieder verblüffend. Wenn er eine Halbwahrheit erzählte, suchte sie sofort nach der anderen Hälfte. Jeder kleine Schwindel, den er ihr ohne große Hintergedanken, nur so zum Spaß,
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