Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Thema.
»Ist meine Mutter da?«
»Ja, aber sie hat eine Mandantin. Dein Vater arbeitet.«
Wie üblich. Wenn Theos Mutter nicht bei Gericht war, verbrachte sie die meiste Zeit mit Mandantinnen, die sich scheiden lassen wollten, sich scheiden lassen mussten, sich gerade scheiden ließen oder sich mit den Nachwirkungen einer Scheidung herumschlugen. Es war ein harter Job, aber Theos Mutter galt als eine der besten Scheidungsanwältinnen der Stadt. Theo war stolz auf sie. Besonders gut fand er, dass sie neuen Mandantinnen immer riet, sich einer Eheberatung zu unterziehen, um zumindest zu versuchen, die Ehe zu retten. Leider hatte er bereits lernen müssen, dass manche Ehen nicht zu retten sind.
Mit Judge im Kielwasser hüpfte er die Treppe hinauf und platzte in das große, immer wieder faszinierende Büro von Rechtsanwalt Woods Boone. Sein Vater saß an seinem Schreibtisch und arbeitete, die Pfeife in der einen, den Stift in der anderen Hand. Überall lagen Papiere verstreut.
»Hallo, Theo«, sagte Mr. Boone mit einem warmen Lächeln. »Wie war’s in der Schule?« Fünf Tage die Woche dieselbe Frage.
»Furchtbar«, erwiderte Theo. »Ich hätte nicht gehen sollen, das habe ich ja gleich gewusst. Totale Zeitverschwendung.«
»Wieso das?«
»Na hör mal, Dad. Meine Freundin, unsere Klassenkameradin, befindet sich in der Gewalt eines entflohenen Sträflings, der wegen Entführung gesessen hat. Das kommt wohl nicht alle Tage vor. Wir hätten draußen auf der Straße bei der Suche helfen sollen, aber nein, wir müssen in der Schule sitzen, wo wir sowieso nur über April reden.«
»Unsinn. Überlass die Suche den Profis, Theo. Strattenburg hat eine kompetente Polizei.«
»Aber gefunden haben die sie bisher nicht. Vielleicht brauchen sie Hilfe.«
»Und von wem, bitte?«
Theo räusperte sich und biss die Zähne zusammen. Er sah seinem Vater direkt in die Augen und schickte sich an, reinen Tisch zu machen. Seine Eltern hatten ihn gelehrt, ehrlich zu sein, mit nichts hinter dem Berg zu halten, auszupacken. Welche Konsequenzen das auch haben mochte, es war besser als Lügen oder Halbwahrheiten. Von uns, Dad , wollte er sagen. Von Aprils Freunden. Ich habe einen Suchtrupp organisiert, und wir ziehen gleich los. In diesem Augenblick klingelte das Telefon. Sein Vater nahm ab, knurrte sein übliches »Woods Boone« und lauschte.
Theo hielt den Mund. Nach ein paar Sekunden bedeckte sein Vater die Sprechmuschel mit der Hand. »Das kann eine Weile dauern«, flüsterte er.
»Bis später!«, sagte Theo, sprang auf und lief aus dem Zimmer. Judge immer dicht auf den Fersen ging er nach unten zu dem kleinen Raum, den er als sein Büro bezeichnete, ganz hinten in der Kanzlei. Dort packte er seinen Rucksack aus und legte Bücher und Hefte zurecht, so als wollte er gleich mit den Hausaufgaben anfangen, aber das täuschte.
Der Suchtrupp, den er organisiert hatte, bestand aus etwa zwanzig Freunden. Geplant war, die Straßen in fünf Gruppen mit je vier Fahrrädern abzusuchen. Sie waren mit Handys und Funkgeräten ausgestattet. Woody besaß ein iPad mit Google Earth und GPS . Alles war koordiniert, wobei die Leitung natürlich bei Theo lag. Sie würden bestimmte Stadtteile nach April absuchen und Handzettel mit ihrem Foto verteilen, auf denen sie für Hinweise, die zu ihrer Rettung führten, tausend Dollar Belohnung versprachen. Sie hatten in der Schule gesammelt und von Schülern und Lehrern fast zweihundert Dollar bekommen. Den Rest wollten sie sich von ihren Eltern besorgen, falls sich tatsächlich jemand mit wichtigen Informationen meldete. Theo war davon überzeugt, dass das im Fall der Fälle funktionieren würde. Es war zwar riskant, aber es stand viel auf dem Spiel, und die Zeit war knapp.
Theo ließ den sichtlich verwirrten Judge allein zurück, schlüpfte zur Hintertür hinaus, schlich zum Vordereingang und schwang sich auf sein Fahrrad.
Vier
Der Suchtrupp traf sich kurz vor vier Uhr nachmittags im Truman Park, dem größten Park von Strattenburg. Die Bande hatte sich am großen Pavillon verabredet, einem beliebten Treffpunkt mitten im Park, wo Politiker ihre Reden hielten, an langen Sommerabenden Musikgruppen spielten und sich manchmal sogar junge Paare trauen ließen. Insgesamt waren sie achtzehn; fünfzehn Jungen und drei Mädchen, die brav ihre Helme trugen und darauf brannten, April Finnemore zu finden und zu retten.
An der Schule hatten die Jugendlichen hitzig diskutiert, wie eine ordentliche Vermisstensuche
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