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Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)

Titel: Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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auftischte, wurde instinktiv hinterfragt und auseinandergenommen. Versuchte er es mit einer ausweichenden Antwort, prasselten drei neue Fragen auf ihn ein. Vermutlich hatte sie das in ihren Jahren als Scheidungsanwältin gelernt. Wie sie selbst sagte, erwartete sie gar nicht, dass ihre Mandanten ehrlich zu ihr waren.
    »Ganz meine Meinung«, pflichtete Mr. Boone bei. Theo hatte keine Ahnung, ob er selbst zu diesem Schluss gekommen war oder sich – wie so oft – nur seiner Frau anschloss. Mr. Boone war Anwalt für Immobilienrecht und ging nie vor Gericht. Er war ziemlich gewieft, aber wenn es darum ging, Theo auszuquetschen, war ihm seine Frau meistens ein oder zwei Schritte voraus.
    »April hat gesagt, ich darf es niemandem erzählen.«
    Die Antwort seiner Mutter kam wie aus der Pistole geschossen: »Und April steckt jetzt in großen Schwierigkeiten, Theo. Wenn du was weißt, raus damit. Und zwar sofort.« Ihre Augen verengten sich, sie zog die Brauen hoch.
    Theo wusste, wohin das führen würde, und im Grunde war ihm sowieso klar, dass er seinen Eltern gegenüber besser aufrichtig war.
    »Mrs. Finnemore war nicht zu Hause, als ich gestern Abend mit April gesprochen habe.« Theo hatte den Kopf gesenkt und vermied jeden Blickkontakt. »Und in der Nacht davor auch nicht. Sie nimmt Tabletten und führt sich total merkwürdig auf. April war ganz allein.«
    »Wo ist ihr Vater?«, wollte Mr. Boone wissen.
    »Mit seiner Band unterwegs, den hat sie seit einer Woche nicht mehr zu Gesicht bekommen.«
    »Hat er denn keine Arbeit?«, fragte Mrs. Boone.
    »Er handelt mit antiken Möbeln. April sagt, wenn er ein paar Dollar verdient hat, verschwindet er immer für ein oder zwei Wochen mit seiner Band.«
    »Das arme Kind«, sagte Mrs. Boone.
    »Informiert ihr jetzt die Polizei?«, erkundigte sich Theo.
    Beide Eltern gönnten sich einen ausgiebigen Schluck Kaffee und wechselten fragende Blicke, während sie überlegten, wie sie reagieren sollten. Schließlich kamen sie überein, das später in der Kanzlei zu besprechen, wenn Theo in der Schule war. Offensichtlich log Mrs. Finnemore die Polizei an, aber die Boones wollten sich nur ungern einmischen. Mit der Entführung hatte das wohl kaum etwas zu tun. Mrs. Finnemore wirkte völlig verzweifelt. Vermutlich plagten sie Schuldgefühle, weil sie nicht dagewesen war, als ihre Tochter entführt wurde.
    Das Essen kam, und die Kellnerin schenkte Kaffee nach. Theo trank Milch.
    Für Theo war es eine Erleichterung, dass er sich nicht mehr allein mit dieser höchst komplizierten Situation herumquälen musste.
    »Sonst noch was, Theo?«, fragte sein Vater.
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »War sie verängstigt, als du gestern Abend mit ihr geredet hast?«, wollte seine Mutter wissen.
    »Ja. Sie hatte ganz furchtbare Angst und machte sich außerdem Sorgen um ihre Mutter.«
    »Warum hast du uns nichts davon erzählt?«, hakte sein Vater nach.
    »Weil ich ihr versprochen hatte, nichts zu sagen. April hat es nicht leicht, aber sie redet nicht gern darüber. Außerdem schämt sie sich für ihre Familie und versucht, ihre Eltern zu schützen. Sie hat gedacht, ihre Mutter kommt gleich. Es war wohl jemand anderer.«
    Theo war schlagartig der Appetit vergangen. Er hätte mehr tun müssen. Er hätte versuchen sollen, April zu helfen. Wenn er seinen Eltern oder vielleicht einem Lehrer von der Sache erzählt hätte, hätte schon irgendjemand etwas unternommen. Er hätte ihr helfen können. Aber er hatte April Stillschweigen geschworen, und sie war überzeugt gewesen, dass ihr nichts passieren konnte. Schließlich waren Fenster und Türen geschlossen, und überall brannte Licht.
    »Ich glaube, heute kann ich nicht zur Schule gehen«, sagte Theo während der Heimfahrt vom Rücksitz aus.
    »Das musste ja kommen«, erwiderte sein Vater.
    »Und welchen Grund hast du diesmal?«, erkundigte sich seine Mutter.
    »Erstens habe ich heute Nacht nicht genug geschlafen. Seit wann sind wir auf, seit halb fünf?«
    »Du willst also nach Hause gehen und dich hinlegen?«, fragte sein Vater.
    »Das habe ich nicht gesagt, aber in der Schule kann ich bestimmt nicht wachbleiben.«
    »Ich wette doch. Deine Mutter und ich müssen arbeiten, uns bleibt auch nichts anderes übrig.«
    Um ein Haar wäre Theo eine Bemerkung über das Nickerchen herausgerutscht, das sein Vater tagtäglich hinter verschlossener Tür an seinem Schreibtisch machte, normalerweise so gegen drei Uhr nachmittags. Alle Mitarbeiter der Kanzlei Boone & Boone

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