Theo Boone und das verschwundene Mädchen: Band 2 (German Edition)
Theo. Was machst du denn hier?« Dieselbe Frage wie immer, wenn er Theo begegnete. Speedy rappelte sich hoch und griff nach einem Wischmopp.
»Nichts Besonderes. Tut mir echt leid«, sagte Theo.
Mit Mopp und Eimer bewaffnet, schlurfte Speedy schließlich los. Er kratzte sich am Kinn und inspizierte die Pfütze, als könnte sie nur durch eine stundenlange Operation unter Einsatz all seiner Fähigkeiten beseitigt werden. Theo sah ihm ein paar Sekunden lang zu, dann zog er sich in Speedys Kammer zurück. Der vollgestopfte, schmutzige kleine Raum, in dem Speedy sein Schläfchen hielt, grenzte an einen etwas größeren, der als Lager genutzt wurde. Eilig kletterte Theo an den Regalen mit Papierhandtüchern, Toilettenpapier und Desinfektionsmitteln hoch. Über dem obersten Bord befand sich ein schmaler, dunkler Kriechboden, der an einer Seite mit einem Lüftungsgitter versehen war. Etwa drei Meter unter dieser Öffnung stand der Richtertisch von St. Nick höchstpersönlich. Aus diesem Versteck, das nur Theo kannte, war zwar nicht das Geringste zu sehen, dafür hörte er aber jedes Wort.
Vierundzwanzig
»Bei der heutigen Anhörung wird sich das Gericht mit der zeitweiligen Unterbringung von April Finnemore befassen«, sagte St. Nick. »Es geht hier nicht um das Sorgerecht, sondern um eine Unterbringung. Mir liegt ein vorläufiger Bericht des Sozialdiensts vor, in dem die Empfehlung ausgesprochen wird, April in einer Pflegefamilie unterzubringen, bis verschiedene Dinge geklärt sind. Diese Dinge könnten– die Betonung liegt auf könnten - ein Scheidungsverfahren, ein Strafverfahren gegen den Vater, eine psychiatrische Begutachtung beider Elternteile oder Ähnliches beinhalten. Welche Rechtsstreitigkeiten noch bevorstehen, ist gegenwärtig nicht absehbar. Meine Aufgabe heute ist es, darüber zu entscheiden, wo April untergebracht werden soll, während ihre Eltern versuchen, Ordnung in ihr Leben zu bringen. Dieser vorläufige Bericht kommt zu dem Schluss, dass April zu Hause nicht sicher ist. Mrs. Boone, hatten Sie Gelegenheit, sich den Bericht anzusehen?«
»Ja, Euer Ehren.«
»Sind Sie derselben Ansicht?«
»Ja und nein, Euer Ehren. Gestern Abend war April mit beiden Elternteilen gemeinsam zu Hause und fühlte sich gut aufgehoben. Die Nacht davor war nur ihre Mutter im Haus, aber das war für April völlig in Ordnung. Letzte Woche war sie jedoch Montag- und Dienstagnacht allein im Haus und hatte keine Ahnung, wo ihre Eltern steckten. Am Dienstag gegen Mitternacht tauchte ihr Vater auf. Da sie völlig verängstigt war, ging sie mit ihm mit. Der Rest der Geschichte ist bekannt. April will bei ihren Eltern sein, aber ob ihre Eltern bei ihr sein wollen, ist mir nicht klar. Vielleicht sollten sie uns das selbst sagen.«
»Ganz meine Meinung. Mr. Finnemore, wie stellen Sie sich Ihre nähere Zukunft vor? Haben Sie vor, zu Hause wohnen zu bleiben, oder werden Sie ausziehen? Planen Sie eine neue Tournee mit Ihrer Rockband oder werden Sie davon absehen? Suchen Sie sich einen Job oder wollen Sie sich weiter treiben lassen? Werden Sie sich scheiden lassen oder eine Eheberatung aufsuchen? Reden Sie mit uns, Mr. Finnemore. Wir hätten gern eine Vorstellung davon, was wir von Ihnen erwarten können.«
Tom Finnemore duckte sich unter dem Hagel schwerwiegender Fragen, der plötzlich auf ihn einprasselte. Lange Zeit sagte er gar nichts. Die anderen warteten und warteten. Es sah fast so aus, als wüsste er keine Antwort. Als er schließlich sprach, klang seine Stimme heiser, fast gebrochen. »Ich weiß es nicht, ich weiß es einfach nicht. Letzte Woche habe ich April mitgenommen, weil sie völlig verängstigt war und wir keine Ahnung hatten, wo May steckte. Danach habe ich mehrfach versucht anzurufen, aber es ging nie jemand ans Telefon. Irgendwann habe ich dann wohl aufgegeben. Der Gedanke, dass die ganze Stadt glauben würde, jemand hätte April entführt und ermordet, ist mir gar nicht gekommen. Das war ein großer Fehler von mir. Es tut mir wirklich leid.«
Er rieb sich die Augen und räusperte sich. »Ich glaube, mit der Rockband ist es vorbei. Diese Tourneen bringen uns nicht weiter. Um die Frage zu beantworten: Ich will in Zukunft sehr viel mehr Zeit zu Hause verbringen. Ich würde gern mehr Zeit für April haben. Bei ihrer Mutter bin ich mir nicht so sicher.«
»Haben Sie beide über eine Scheidung gesprochen?«
»Richter Jolly, wir sind seit vierundzwanzig Jahren verheiratet. Zum ersten Mal haben wir uns zwei Monate nach
Weitere Kostenlose Bücher