Theo Boone - Unter Verdacht: Band 3 (Heyne fliegt) (German Edition)
dreckige Sandalen, keine Socken– auf den Schreibtisch gelegt. Also lehnte sich Theo in seinem Stuhl zurück und folgte seinem Beispiel.
» Es ging alles ganz schnell«, begann er und stürzte sich in eine lange und nahezu wahrheitsgemäße Beschreibung der Rauferei.
Ike lächelte stolz.
Theo verzichtete weitgehend auf Ausschmückungen und widerstand der Versuchung, mit seinen nicht vorhandenen Fähigkeiten als Kämpfer zu prahlen.
» Gut gemacht, Theo«, lobte Ike, als Theo schließlich von der Begegnung mit Mrs. Gladwell und der Suspendierung berichtet hatte. » Manchmal hat man keine Wahl. Betrachte die Suspendierung als Auszeichnung.«
» Weißt du von dem Durchsuchungsbeschluss?«, fragte Theo, der Ike einen vollen Bericht über die Ereignisse der Woche erstatten wollte.
» Welchem Durchsuchungsbeschluss?«, fragte Ike.
Theo erzählte die Geschichte, die Ike mit beständigem Kopfschütteln quittierte.
» Hast du schon einmal von einem spuckenden Lama gehört?«, fragte Theo dann, um die Stimmung etwas aufzuhellen.
Das hatte Ike nicht, und Theo erzählte sein letztes Abenteuer am Tiergericht in allen Einzelheiten.
Als er fertig war, sprang Ike auf und knackste mit den Knöcheln. » So, Theo. Unsere Aufgabe ist es, die Person zu finden, die dir das anhängen will.«
» Genau.«
» Ich habe in den letzten achtundvierzig Stunden an nichts anderes gedacht. Sag mir, was du bisher weißt.«
» Nicht viel. Mein Vater ist überzeugt, dass es ein Insider ist, jemand von der Schule, höchstwahrscheinlich ein anderer Schüler, weil ein Erwachsener, der sich an meinem Spind zu schaffen macht, auffallen würde. Er glaubt, es sind mehrere Jugendliche an der Sache beteiligt.«
» Da bin ich seiner Meinung. Wer ist dein Hauptverdächtiger?«
» Ich habe keinen, Ike. Meine Eltern wollten unbedingt, dass ich eine Liste aller Mitschüler erstelle, die wütend auf mich sein könnten. Ich will nicht sagen, dass mich alle lieben, aber mir fällt beim besten Willen niemand ein, der sich erst am Montag Zugang zu meinem Schließfach verschafft und mein Zeug stiehlt, dann Dienstagnacht in den Computerladen einbricht und meine Kappe dort hinterlässt und schließlich am Mittwoch wieder meinen Spind öffnet und die gestohlenen Tablets dort deponiert, nur damit ich ins Gefängnis komme. Es gibt wohl jemanden, der mich wirklich hasst, ich weiß nur nicht, wer das sein könnte.«
» Weil du den Betreffenden gar nicht kennst. Wahrscheinlich bist du ihm noch nie begegnet. Vielleicht hast du ihn schon mal gesehen, aber du weißt nichts davon.«
Ike tigerte hinter seinem Schreibtisch auf und ab, kratzte sich den ergrauten Bart und runzelte gedankenverloren die Stirn.
» Okay«, sagte Theo. » Wer ist es?«
Ike setzte sich abrupt, beugte sich über den Schreibtisch und sah Theo durchdringend an. » Deine Eltern sind Anwälte, und zwar gute. Anwälte haben mit Menschen zu tun, die aufgebracht und verletzt sind, die in Schwierigkeiten stecken und so wütend sind, dass sie viel Geld für einen Prozess ausgeben. Dein Vater ist Immobilienanwalt, eine ziemlich langweilige Art, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, wenn du mich fragst. Er hat mit Menschen zu tun, die Häuser, Wohnungen und Grundstücke kaufen und verkaufen– du weißt, wovon ich rede.«
» Ich werde jedenfalls nicht Immobilienanwalt«, sagte Theo.
» Guter Junge. Ich will damit sagen, seine Mandanten sind nicht in irgendwelche Konflikte verwickelt. Stimmt’s?«
» Stimmt.«
» Dagegen hat es deine Mutter ausschließlich mit Konflikten zu tun, und zwar mit den schlimmsten, die man sich vorstellen kann: Scheidungen. Ehen gehen in die Brüche. Mann und Frau streiten sich um das Sorgerecht für die Kinder, um das Haus, die Autos, die Möbel, das Geld. Ehebruch, Misshandlung, Vernachlässigung werden geltend gemacht. Manchmal sind das furchtbare Schicksale, Theo. Ich hatte nie die Nerven für Scheidungssachen. Aber deine Mutter gehört zu den Besten auf diesem Gebiet. Schon immer.«
Theo nickte, lauschte, wartete. Soweit alles bekannte Tatsachen.
Ike legte die Fingerspitzen aneinander. » Für ein Kind ist eine Scheidung eine Katastrophe, Theo. Die beiden Menschen, die es am meisten liebt, können nicht zusammenleben, sie lieben sich nicht mehr, hassen einander oft geradezu und behandeln das Kind bei ihrer Trennung wie einen Preis, den jeder für sich beansprucht. Für das Kind ist das traumatisch, verwirrend und sehr schmerzlich. Das Kind weiß nicht, wer das
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