Theo
alles?« Beeilt sich der Schreiber allzu sehr, »Ja« zu antworten, muss er mit einem scharfen »Vorlesen!« rechnen. Theo schaut ihm dabei andächtig über die Schulter.
Ist schon richtig – er kann noch nicht lesen. Aber der Partner soll nur ja nicht glauben, er könne Theo jetzt aus der Fantasie irgendwelche anderen Güter vorgaukeln. Liest er etwa: »Zitronen, Soletti, Pommes frites mit Ketchup, Erdbeeren, Extrawurst und Grammelknödel«, schaut ihn Theo zunächst einmal betroffen an (und gibt ihm quasi eine letzte Chance, den Fehlerauszubessern). Dann fragt er, scharf wie ein strenger Lehrer unmittelbar vor einem heftigen Gefühlsausbruch: »Wo sind die Fit-Täbchen?«
Wir würden dem Partner wünschen, dass er sie nur vorzulesen und nicht gar aufzuschreiben vergessen hat. Er kann natürlich auch hasardieren, unschuldig »Da stehen die Fischstäbchen!« sagen und frech auf den Schriftzug der Extrawurst zeigen, muss aber damit rechnen, dass Theo (der die Reihenfolge der Speisen bereits fünffach gespeichert hat) nachsetzt: »Und wo ist die Extrawurst?« – Verstrickt sich der Partner weiter in Widersprüche, geht Theo die Liste mit ihm beinhart noch einmal von vorne durch. Also besser bei der Wahrheit bleiben und das schriftliche Versäumnis reumütig nachholen.
Nun schreitet das unechte Einkaufen von und mit Theo zügig voran. Wir befinden uns bereits in der Billa-Filiale. Dort nimmt Theo die Rolle des Verkäufers an der Kasse ein. Der Pädagoge muss aufgrund des regen Andrangs erst eine Weile warten, bis er an die Reihe kommt. (Es wäre eine Beleidigung für Diplom-Kaufmann Theo, wenn sein Ex-Partner der einzige Kunde im Geschäft wäre.)
Die folgende Kaufabwicklung erfordert vom Kunden volle Konzentration. Er muss Theo die Namen der auf der Liste befindlichen Waren ein weiteres Mal (fehlerlos) vortragen, diesmal jeweils mit Handbewegungen der Überreichung. Zumindest zwei, drei Güter sollten echt (also aus der Küche) sein, sonst wird das Spiellangsam zur Farce. Theo nimmt die Gegenstände, akzeptiert, dass auch ein paar Bücher dabei sind und diesmal als Zitronen oder Grammelknödel fungieren, und gibt sie dem Kunden wieder zurück, zwar nicht gern, aber so geht das Spiel eben.
Bei besonders griffigen Gütern (zum Beispiel echten Zitronen) kommt die Spielzeugwaage aus Theos sonst eher unspektakulärem Plastik-Krämerladen zum Einsatz. Der Kunde wird mit den Worten »Müss ma abwiegen« um etwas Geduld gebeten. Nach diesem Zeremoniell darf der Pädagoge endlich einpacken und seine Geldbörse zücken.
Beim Preis ist Theo absolut flexibel. Das heißt: Er hält die Hand auf und wartet, was man ihm gibt. Geld bedeutet ihm nicht viel. Münzen gehen noch, die machen wenigstens gute Geräusche. Ein Geldschein gibt dagegen überhaupt nichts her – sieht nicht gut aus, klingt nicht gut, riecht nicht gut, schmeckt nicht gut. Würden nicht alle so tun, als wäre Geld etwas Besonderes, würde Theo es stets bei der ersten Gelegenheit entsorgen. – Oder dem »Ben, der tut dir nix« ins Maul stecken, vielleicht fängt der mehr damit an.
Auf die Frage des Mitspielers, wie viel die Waren kosten, zuckt Theo mit den Schultern, das ist wirklich nicht sein Problem. Irgendein Schelm hat ihm dazu einmal die Formulierung »Was Sie gerne geben!« beigebracht. Theo wird bald dahinterkommen, dass er sich damit selbst vom Verkäufer zum Garderobier degradiert, der auf Spendengelder angewiesen ist.
Das Spiel nähert sich dem Ende – glaubt zumindest der Pädagoge. Theo lässt das Geld im Sack verschwinden, ist jetzt wieder der Kunde und kümmert sich um die eingekauften Gegenstände. Zwischen Büchern und Zitronen wird nun heftig gewühlt. Keine Frage: Theo sucht etwas. Diese Phase der Abgelenktheit versucht der Pädagoge dazu zu nützen, sich still und heimlich aus dem Staub zu machen. Theos verzweifelter Aufschrei bringt ihn jedoch rasch wieder ins Spiel zurück: »Bananen hamma vergessen!« – Stand auch nicht auf der Liste, könnte der Partner sagen, aber er ist ja nicht wahnsinnig. Möglicherweise ließe ihn Theo dann eine komplett neue, um Bananen erweiterte Einkaufsliste anfertigen. Das gesamte Spiel müsste neu ausgetragen werden.
Schon ist Theo bei ihm an der Tür, zerrt ihn an der Hand ins Zimmer (Billa) zurück und verdeutlicht: »Müss ma Bananen einkaufen, hamma vergessen!« Jetzt wird der Partner ein bisschen nachlässig und versucht Theo die von diesem erworbenen und an ihn auch bezahlten Zitronen als
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