Theo
Bananen zu verkaufen. Das findet Theo gar nicht lustig – und fordert, diesmal vehement: »Müss ma Bananen kaufen!« Und zwar echte. Und zwar schnell.
Der Pädagoge hat Glück. Eine Banane war noch in der Küche. Theo kauft und verkauft sie in Bruchteilen von Sekunden. Auf Geld verzichtet er. Jetzt will er nur noch die Banane. Und zwar essen. Der Partner soll nicht lange schauen, sondern schälen. Das Spiel ist beendet.Mahlzeit. Wenn Theo fertig ist, wird es im Haushalt übrigens keine Bananen mehr geben. Das heißt: Es ist schon bald mit einer neuen Runde »Müss ma Billa einkaufen« zu rechnen.
Und dann passiert es. Die vier schönsten Worte eines knapp Dreijährigen schließen sich zusammen und bilden einen Satz. Theo. Fährt. Billa. Einkaufen. – Nicht bloß höchste Formvollendung, nicht bloß akustisches Reiz-Dorado schlechthin, nicht bloß die superlativste Wortspielerei in Theos Welt. (Sie glaubten wohl, man könne »superlativ« nicht steigern.)
Nein, noch viel, viel besser: Bei »Theo fährt Billa einkaufen« handelt es sich um eine wahre Geschichte, die das Leben schreibt. Dabei gelangt der Erstgenannte in den vollen inhaltlichen Genuss der Kombination der drei nachfolgenden Superlative.
Fangen wir von vorne an. Ein guter Tag beginnt mit der richtigen – richtig – Einkaufsliste. Wer mit Theo Billa einkaufen fährt, hat zwei solcher Listen anzufertigen. Eine wirkliche, da stehen die Dinge drauf, die sich die Ernährer einbilden, dem Haushalt schuldig zu sein. Diese Liste beinhaltet glanzlose Produkte wie Hochglanzreiniger, sinnlose Rollen wie Klopapier und die geschmacklosesten Birnen der Welt – Glühbirnen. Wenn man sie angreift, leuchten sie nicht. Und wenn sie leuchten, kann man sie nicht angreifen.
Diese erste Liste ist auch formell der Inbegriff der Lieblosigkeit. Da wird herumgestrichen und herumgekritzelt, und es steht insgesamt einfach viel zu viel drauf.Wenn einer nicht lesen kann, kann er sich das unmöglich alles merken.
Ganz anders: die Theo-Einkaufsliste. Sie verzichtet auf uninteressante Details und beinhaltet wirklich nur jene Dinge, die unbedingt angeschafft werden müssen. (Leberstreichwurst, Mandarinen, Fruchtzwerge, Himbeersaft …) Das Diktat führt Theo selbst durch. Er lässt sich durch allfällige Unmutsäußerungen des eingeteilten Schreibers und durch dessen stereotypes »Ich-hab-auch-noch-anderes-zu-tun«-Geraunze nicht aus dem Konzept bringen. Er besteht auf schönen Schriftzügen. Und er will wissen, welches Wort für welches Gut steht, damit dann in der Hektik des Einkaufs nichts verwechselt werden kann.
Zum Billa gelangt Theo mit dem Auto. Direkt vom Kindersitz wird er in den Einkaufswagen gehoben, dazwischen müssen seine Füße also nicht einmal den Boden berühren.
Die Fahrt zwischen den Regalen zählt zweifellos zu den Höhepunkten jedes Kaufhausbesuchs. Ginge es nach Theo, bliebe keine Packung auf oder neben der anderen. Theos stärkste Vision eines Billa-Besuches besteht im kompletten (eigenhändigen) Entleeren sämtlicher Regale in den (von ihm gesteuerten) Einkaufswagen, dem Abtransport der Waren in Riesencontainern nach Hause (unter Theos Oberaufsicht natürlich) und der Errichtung eines sogenannten Theo-Eigenheim-Billas in der Josef-Ressel-Straße.
Die Süßwarenabteilung würde in seinem Kinderzimmeruntergebracht werden. Uninteressante Güter würde man im Garten deponieren und für wohltätige Zwecke verwenden. (Tägliche Verteilung von Reinigungsmitteln an wartende Fahrgäste bei der angrenzenden Bushaltestelle. Sämtliche Hundedosen gingen an »Ben, der tut dir nix«. Kitekat und Sheba ebenfalls, vielleicht könnte er damit ein paar Katzen anlocken.)
Theos zweite, bescheidenere Billa-Vision entspringt seiner Sammlerleidenschaft und bestünde im Erwerb von je einem Exemplar aller angebotenen Güter. (Zum Beispiel je eine Packung Staubzucker, Kristallzucker fein, Kristallzucker grob, Würfelzucker, Weizenmehl glatt, Weizenmehl griffig und so weiter.)
Hin und wieder überkommt Theo auch noch eine dritte Kauf-Vision, nämlich die der Anschaffung sämtlicher Exemplare eines bestimmten Gutes. Das passiert, wenn sein Blick etwa in einem Wald von rosa Weichspüler-Flaschenhälsen und -bäuchen hängen bleibt. Daheim würde er dann einen Pädagogen dazu nötigen, mit dem Inhalt der Flaschen die Badewanne weichzuspülen. Muss ziemlich gut ausschauen und supergeil riechen.
Aber bleiben wir bei der Realität, die ist fein genug. Gekauft wird, was gebraucht
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