Theo
ersten Einreibung wirklich schön geglänzt hatte, mindestens so schön wie die Oma.
Wenn Theo im Cockpit des dösenden Boliden Gefahr lief, sich zu langweilen (da der Anblick der Nivea-Sonnencreme-behafteten, liegenden, lesenden und schlafenden Großeltern auch nicht gerade als anmutig zu bezeichnen war), besann er sich seines Theo-Volvo-Lenkrades, ließ zuerst einmal sachte seine Hände darübergleiten, erhöhte dann nach und nach das Tempo seiner kreis-, spiralen- oder ellipsenförmigen Bewegungen, schloss die Augen, um sich besser zu konzentrieren, und steigerte sich schließlich in tranceähnliche Lenk-Räusche, in denen er im Schnitt hundert Serpentinen pro Sekunde zurückzulegte, ehe er sich erschöpft, aber zufrieden zurücklehnte, bis ihm beim Anblick der kopfschüttelnden Großeltern wieder langweilig wurde. Dann wiederholte er die Lenk-Rausch-Übung. Auch so vergingen die Stunden. Und in den Pausen gab es entweder etwas zu essen. Oder Opa musste »alles Deutsche« sagen.
Am siebten Tage gingen sie nach Pippi-Ohne. Die Nivea-Creme war ausgegangen (Oma warf Theo einen ernsten Blick zu), und einige Lebensmittel fehlten. Als Theo davon erfuhr, entkamen ihm exakt zwei Jubelschreie. Der erste (euphorische) lautete: »Müss ma einkaufen.« Der zweite (ekstatische) hieß: »Gemma Billa einkaufen!«
Gleich darauf die Ernüchterung: »Theo, in Bibione gibt es keinen Billa«, meinte der Opa. Und die Oma nickte. (Theo setzte daraufhin seinen bittersten »Wenn-es-da-keinen-Billa-gibt-dann-fahren-wir-wieder-heim-Blick« auf.) Wissen Sie, wie die Kaufhäuser dort hießen? – Gonad und Momoli – allen Ernstes! Lieber wollte sich Theo die Zunge abschneiden lassen, als auch nur ein einziges Mal »Gemma Momoli einkaufen!« zu sagen.
Etwa so wie die bibionischen Billas hießen, waren sie auch. Theo fand weder Fruchtzwerge noch Mandarinen, noch Streichwürste. Dafür gab es etwa hundert verschiedene Arten von Nudeln. Und was Theo schon die längste Zeit aufgefallen war: Jeder zweite Mensch und praktisch jedes Kind hielt ein Ding in der Hand und schlürfte daran, bis es verschwunden war. Und dann schleckten sie sich die Finger ab. »Das ist Gelati«, sagte Opa. »Telati?«, fragte Theo mäßig begeistert.
Zur Erklärung: Theo hasst Eis. Besser gesagt: Er hatte es noch nie vorher probiert. Es war ihm einfach zu kalt, und er konnte sich nicht vorstellen, was daran gut sein sollte. Er stufte die Eiseskälte sogar als bedrohlich ein.
Aber bitte, weil die Großeltern schon gar so bettelten, probierte Theo eben einmal so ein »Telati«, das man ihm unter dem Vorwand, es sei Schokolade, unter die Nase rieb. – »Theo, bist du verrückt, doch nicht den ganzen Gupf auf einmal!«, schrie die Oma. – Hätte sie die Güte, solche Meldungen das nächste Mal vielleicht ein bisschen früher loszulassen!
Ausspucken ging nur noch zur Hälfte. Der Rest des kalten Breis arbeitete sich bereits die Gurgel hinunter. Theo stand minutenlang steif (vermutlich bereits eingefroren) da und versuchte in sich hineinzufühlen.Dann fragte er mit frostiger Stimme: »Oma, was hab ich jetzt im Bauch?«
In Bibione gab es aber auch etwas, für das sich Theo sofort erwärmen konnte. Es war rot und hatte ein Lenkrad. Erraten: ein Ferrari. Man musste hinaufsteigen und konnte sich hineinsetzen. Theo hätte ihn auf der Stelle gegen seinen Theo-Volvo eingetauscht. Doch man konnte das Ding nicht wegbewegen. »Der ist einbetoniert«, meinte der Opa. Komisch sind sie schon, die Italiener – befestigen ihre Fahrzeuge auf dem Boden, statt mit ihnen zu fahren. Die Großeltern wollten wieder einmal besonders schlau sein und sagten: »Theo, das ist ein Automaten-Auto, da muss man eine Münze einwerfen, und dann fährt es.« – Und während sie dies sagten, warfen sie die Münze auch schon ein. (Wenn Pädagogen zu wissen vorgeben, wie etwas zu funktionieren hat, sind sie nicht zu bremsen.) Der Leidtragende war Theo. Denn plötzlich fing der Ferrari wild zu galoppieren an. Bevor er sich auch noch auf die Hinterreifen stellte und zu wiehern begann, ließ sich Theo plärrend aus dem Sattel heben.
Strafweise musste der Opa mit ihm eine halbe Stunde Motorrad fahren. Das Motorrad wäre beinahe nur ein normales Fahrrad gewesen. Zum Glück beherrschte Opa das Motorengeräusch; zugegeben, er brummte nicht gerade wie eine schwere Maschine, eher wie ein unter PS-Armut leidender Motorroller, doch für Italien genügte es.
Nach zehn Minuten wollte er allerdings bereits
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