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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Scherzbold!« sagten, standen die Chancen erfahrungsgemäß schlecht.
    Das Besondere am Hafen waren weder »Schau, die vielen Boote« noch »Schau, die vielen großen Boote«, noch »Schau, die vielen kleinen Boote«. Sondern einbestimmtes Boot – das gelbe Boot. Theo sah es von weitem, sah es aus mittlerer Entfernung, sah es aus der Nähe, stand davor – und wusste, dass es für ihn bestimmt war. Die Großeltern bemerkten es nicht gleich. Sie sollten erst langsam auf die richtige Spur gelenkt werden.
    »Was ist das?«, fragte Theo und zeigte irgendwohin. »Das ist ein Boot«, antwortete der Opa. »Und was ist das?«, fragte Theo und zeigte irgendwohin. »Das ist auch ein Boot.« Oder, eleganter: »Auch das ist ein Boot.« Und das? – Auch ein Boot! Und so weiter. Fünfzigmal.
    Zweiter Durchgang: »Was macht das da?« – Ach Gott, was machen Boote im Hafen? Da konnten sich die Pädagogen wieder einmal so richtig austoben: »Sie schwimmen im Wasser«, »sie ruhen sich aus«, »sie warten auf ihre Besitzer«, »sie warten, bis sie wieder benützt werden«, »sie warten, bis sie auslaufen.« Theo: »Wo laufen sie hin?« – Okay, dann warten sie eben nicht, bis sie auslaufen.
    Als die Konzentration der Großeltern nachließ, die Oma bereits mit dem Rücken zum Hafen stand und auch der Opa Tendenzen zeigte, sich vom Hafen zu verabschieden, fragte Theo: »Und was ist das?« (Es lag unmittelbar vor ihm.) – »Das ist auch ein Boot«, antwortete der Opa. »Ein gelbes Boot«, ergänzte Theo. »Ja, das ist ein besonders schönes Boot«, meinte die Oma, die eingesehen hatte, dass die Zeit noch nicht reif war, nach Hause zu gehen.
    »Was hat das da?«, fragte Theo. Er wusste es bereits, er konnte es nur noch nicht fassen. »Das ist ein Lenkrad«, sagte der Opa. »Ein Lenkrad?«, fragte Theo in den höchsten Tönen der Entzückung. »Ja, ein Lenkrad, damit kann man das Boot steuern«, sprach der Großvater. »Ist das Boot ein Auto?«, fragte Theo.
    Jetzt war er schon ganz nahe dran. So etwas Ähnliches, erklärte man ihm. »Es fährt aber nicht auf der Straße, sondern es reitet auf den Wellen.« – »Ist das Boot ein Pferd?«, fragte Theo. – Sie hatten es wieder einmal geschafft, ihn zu verwirren.
    Genug der taktischen Herumrederei. Am besten, man probierte es einfach aus. Das gelbe Boot schrie förmlich danach, von Theo gelenkt zu werden. Er ging in die Hocke und kroch im Rückwärtsgang den Hafensteg entlang zum Meer.
    »Was machst du da?«, fragte die Oma. »Einsteigen«, sagte Theo. »Theo, du kannst nicht einfach in ein fremdes Boot einsteigen«, meinte der Opa. »Oh ja!«, sagte Theo und kroch weiter.
    »Theo, das Boot gehört anderen Leuten, es ist nicht unser Boot«, behauptete die Oma. »Oh ja!«, sagte Theo. (Zumindest sein Boot war es, ob es auch das der Großeltern war, blieb dahingestellt.) »Theo, das Boot gehört nicht uns«, wiederholte der Opa. »Oh ja«, sagte Theo schon einigermaßen entnervt. »Der Papa kauft’s!«
    Die Szene am Bootssteg eskalierte. Je länger sich die Großeltern weigerten, Theo in sein gelbes Boot zu heben, umso greller und höher wurden die gequälten»Der Papa kauft’s«-Schreie, bis sich der Klang von dem einer Hafensirene nicht mehr unterschied.
    Um öffentlichen Aufruhr zu vermeiden, stieg der Opa schließlich unter Omas Rückendeckung ins gelbe Boot, hob Theo hinein, setzte ihn hinters Lenkrad und ließ ihn gestoppte dreißig Sekunden (zumindest im Geiste) die Weltmeere durchkreuzen. Nach einem der schärfsten »So, und jetzt ist Schluss!« seit Theos Geburt überlegte dieser, ob er noch eine zweite »Der Papa kauft’s«-Serie anstarten sollte. Doch er verzichtete darauf und ließ sich widerstandslos aus seinem schwimmenden Pferde-Auto heben. Der Urlaub hatte ja gerade erst begonnen. Und das gelbe Boot ging wohl so schnell nicht unter.
    Einen Großteil des Urlaubs verbrachte Theo am Campingplatz. Genauer: im Vorzelt des familieneigenen Wohnwagens. Genauer: in seinem auf dem Teppich des Vorzelts eingeparkten Theo-Volvo.
    Im Urlaub sollte der Theo-Volvo sich auch von den heimischen Strapazen im Schatten erholen und ein bisschen ausspannen dürfen, so wie die Oma und der Opa das immer von sich behaupteten, wenn sie gerade nicht mit Theo spielen wollten. Wesentlicher Unterschied, der wieder einmal beweist, dass Autos heutzutage wie Menschen zweiter oder dritter Klasse behandelt werden: Nivea-Sonnencreme durfte Theo dafür kein zweites Mal verwenden, obwohl der Volvo nach der

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