Theo
oder überhaupt gleich wegzunehmen.
Nein, tut uns leid, er mag sie nicht. Theo mag keine kleinen Kinder. Und er mag sie wirklich nicht, und er bekennt sich dazu. – Er wird sich schon an sie gewöhnen, meinen die Pädagogen in ihrem Hang, immer alles zu beschönigen. Aber Theo will sich gar nicht an Kinder gewöhnen. Wozu? Was soll er mit ihnen anfangen? Was kriegt er von ihnen? Welchen Sinn hat es, sich anzupassen? Am Ende wird er noch genau so sein wie sie.
Wir werden in der Folge ein paar Typen von Kleinkindern kennenlernen, die Theo irgendwo im Freien untergekommen sind. Sie können dann für sich selbst entscheiden, ob da auch nur irgendeiner dabei war, auf den man nicht (zugunsten Theos) verzichten hätte können.
Bleiben wir zuvor aber noch kurz bei den Eltern. So billig sollen sie hier nicht davonkommen. Denn, bei aller würdigen Anerkennung ihrer Bemühungen auf Gebieten wie Ausrüstung, Verpflegung und Die-Welt-Erklären – was die Idee angeht, Kinder untereinander bekanntzumachen, spielen sie mitunter ein übles Spiel. Sie gefallen sich in der Rolle von Animateuren und Einfädlern, von Dolmetschern und Zwangsbeglückern.
Ihr Motiv ist unedel. Sie selbst wollen sich freispielen, wollen in Ruhe gelassen werden, wollen sich schonen. Sie haben Kinder in die Welt gesetzt – das ging noch leicht. Und jetzt, da sie erkannt haben, dass diese Kinder untrennbar mit Arbeit verbunden sind, wollen siesich diese unter dem Deckmantel der »sozialen Erziehung« wieder vom Halse schaffen.
Dabei sind sie permanent auf der Suche nach jemandem, der ihnen die Last der Beschäftigung mit ihren Kindern abnimmt. Da kommen ihnen Leute wie Theo natürlich wie gerufen. Sie sehen ihn – und setzen ihre Kinder auf ihn an. Sie hetzen sie förmlich auf ihn. Theo bleibt nur noch die Flucht. Doch sie gelingt nicht immer. Denn diese Mütter und (zunehmend mehr) Väter verfügen über ein ausgeklügeltes System von Redewendungen, mit denen sie Theo einzufangen und für ihre Kinder nutzbar und gefügig zu machen verstehen.
Schon von der Weite jubeln sie ihren Sprösslingen in den süßlichsten Tönen zu: »Schau, wer da kommt!« (Richtigerweise müsste es heißen: Schau, wer sich da umdreht und wegläuft!) Dann folgt der verhängnisvolle Hinweis: »Das ist auch ein Bub!« Oder (noch schlimmer): »Das ist ein Bub!« Oder (wertend): »Schau, da drüben ist ein lieber blonder Bub!«
Danach der Anfang vom dicken Ende: »Willst du nicht hingehen?« Die ewig infame Unterstellung: »Der Bub freut sich sicher!« Programmeröffnung: »Tut’s schön miteinander spielen!« Erster Programmpunkt: »Zeig ihm deinen schönen Ball.« Oder, unverfroren: »Schau, der Bub hat einen schönen Ball.« Beunruhigende Andeutung eines open ends: »Wenn du Hunger hast – die Mama ist da drüben und liest ein bisschen.«
Mitunter wehren sich die anderen Kinder sogar verbissen.Sie wollen gar nicht zu Theo. (Wahrscheinlich schaut er zu grimmig.) Doch die Eltern lassen sich diese Chance nicht mehr entgehen. Sie nehmen den Sprössling an der Hand, zerren ihn zu Theo, machen die beiden gegen ihren Willen miteinander bekannt.
Und dann wird so lange auf sie eingeredet und verkuppelt, bis ihnen gar nichts anderes mehr übrigbleibt, als miteinander zu spielen. Dann ziehen sie sich still und heimlich zurück, überlassen die Kleinen ihrem gemeinsamen Schicksal und diskutieren mit ihresgleichen, wie faszinierend es ist, Kinder großzuziehen.
Wenden wir uns nun also diesen faszinierend großgezogenen kleinen Kindern zu. Schauen wir uns an, was da auf offener Straße alles herum- und Theo in die Arme läuft, wenn der Tag lang ist – zu lang jedenfalls, um die Quälgeister ins Bett zu stecken, wo sie eigentlich hingehörten und wohl auch am besten aufgehoben wären, würde Theo meinen. Leider wird er diesbezüglich nicht um seine Meinung gebeten.
Typ eins: die Heulsusen. (Gibt es, seit Buben weich erzogen werden, vermehrt auch in männlicher Ausführung.) Sie verlieren den Mut, noch ehe sie wissen, wofür sie ihn gebrauchen hätten können. Sie gehen nie absichtlich auf Theo zu. (Sie würden absichtlich nicht einmal den leisesten Schritt in Richtung Theo setzen.) Sie stehen vielmehr aufgrund eines (unglücklichen) Zufalls plötzlich regungslos vor ihm, haben den Mund geöffnet, vergessen zu atmen und warten, bis etwas geschieht.
Es geschieht nichts (wodurch sie in Atemnot geraten). Denn Theo schlägt sie nun mit ihren eigenen Waffen. Auch er bewegt sich nicht,
Weitere Kostenlose Bücher