Theo
Twimmbecken?« – Die Großeltern gaben ausweichende bis ausufernde Antworten.
Neu war jedenfalls, dass es plötzlich erlaubt, wenn auch nicht möglich war, über den Beckenrand (den man gar nicht sah) hinauszuspritzen. Und dass auch wildfremde Menschen hineindurften, ohne den Opa zu fragen. »Alles Deutsche«, sagte dieser nur.
Eine gute Idee waren die sogenannten Wellen. Sie kamen immer aus derselben Richtung und warfen Theo regelmäßig um, was mächtigen Spaß machte. Noch um einiges lustiger war es, wenn die Wellen Opa umhauten. Oma hauten sie komischerweise nicht um, das war aber auch irgendwie lustig.
»Wenn die Wellen kommen, musst du den Mund zumachen«, empfahl die Oma Theo vor dessen Weltmeeres-Premiere. Gleich danach fragte sie: »Hast du den Mund zugemacht?« Theo schüttelte mit vollen Backen den Kopf. »Aber ich spuck’s jetzt aus«, sagte er gleichzeitig mit der angekündigten Tätigkeit.
Vor dem Meer lag jede Menge Sand. Theo verliebte sich in ihn und beschloss, ihn mit nach Hause zu nehmen. Sand war viel praktischer als Gras. Man konnte damit Kuchen backen und denselbigen zertreten, wenn er nicht gut war. Und man konnte die Kuchenbrösel dem Opa fünfmal und der Oma »das erste und das letzte Mal« über den Rücken rieseln lassen.
Außerdem lebten im Sand interessantere Tiere als Käfer und Ameisen. Das heißt: Die Tiere lebten in den seltensten Fällen, nur noch ihre aufklappbaren Wohnhäuser waren vorhanden, oft in desolatem Zustand. »Was ist das?«, fragte Theo und nahm so ein Ding in die Hand. »Das ist eine Muschel«, sagte der Opa. »Was macht die da, die Mutel?«, fragte Theo. »Gar nichts mehr, die ist schon tot, die ist ausgetrocknet«, erwiderte der Opa.
»Tot« klang Theo in Anbetracht dieser friedlich hartenSchale, die sich so gut anfühlte, eindeutig zu brutal. »Ausgetrocknet« konnte nur ein Blödsinn sein, denn gleich daneben befand sich ja das Riesenschwimmbecken mit den Wellen. Das wäre so, als stünde Theo vor dreißig Kalbsleberstreichwurstbroten und fünfzig gelben Fruchtzwergen und würde dabei verhungern. Also baute er dem Opa noch eine goldene Brücke: »Ist die Mutel kaputt?« – »Ja, so kann man das auch sagen«, sprach der Großvater. »Die Muschel ist gewissermaßen kaputt.« – »Müss ma reparieren«, meinte Theo. – Und das war nicht bloß so dahingesagt: Die Muschel-Reparaturwerkstätte sollte zu einem der ehrgeizigsten Urlaubsprojekte Theos werden. Oma und Opa hatten bald alle Hände voll zu tun – alle Hände voll Muteln.
Im Sand lernte Theo neben Muscheln auch noch Jacqueline kennen. Sie war fünf und aus Deutschland. Opa sollte ihr zu Ehren und Theo zuliebe fünfmal »alles Deutsche« sagen. Aber er weigerte sich. – Das war ein bisschen unhöflich, fand Theo.
Die Begrüßung war herzlich. »Ich heiße Jacqueline«, sagte das Mädchen, machte einen Knicks und reichte Theo die Hand. Theo machte gar nichts und sagte gar nichts, denn sein Mund war offen und blieb auch so. Und seine Hände verschwanden hinter dem Rücken. »Sag ›Hallo Jacqueline‹!«, schlug die Oma vor. Theo schwieg. Das Mädchen wartete, die Oma gab nicht auf: »Sag ›Hallo Jacqueline, ich bin der Theo‹«, drängte sie. – »Sag’s du!«, erwiderte Theo.
Nach dem netten Vorstellungsgespräch war die Zeitreif zum Kuchenbacken. Jetzt kam Jacquelines wahrer Charakter zum Vorschein. »Theo, du holst mir Wasser!«, rief sie und zeigte mit dem Finger zum Meer. Theo gehorchte. (Immer noch besser, fünfzig Liter Wasser holen, als einmal »T-aklin« sagen zu müssen, dachte er.)
»Theo, noch mehr Wasser, und ein bisschen schneller!«, befahl das Mädchen. In diesem Ton ging es weiter. Nach dem fünften Transport machte Theo plötzlich Schwierigkeiten. »Jetzt hol’ ich dir aber kein Wasser mehr«, sagte er und ließ die volle Gießkanne in den Kuchen plumpsen. Damit waren Spiel und Freundschaft beendet. Und Theo konnte nachträglich froh sein, Jacqueline nicht beim Namen genannt zu haben.
Den Hafen wollten die Großeltern Theo ursprünglich nur einmal zeigen. Doch es kam anders: Sie mussten Theo den Hafen täglich zweimal zeigen. Denn ohne Hafen am Abend konnte Theo nicht mehr einschlafen. Und ohne Hafen am Morgen wollte er nicht mehr aufstehen.
Somit sind wir beim gewichtigsten Unterschied zwischen Pippi-Ohne und Wien-Penzing angelangt. Dem Zweiten fehlte eindeutig der Hafen. Theo versprach sich zwar, nicht ohne Hafen nach Hause zu fahren. Aber wenn sie einmal »Du kleiner
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