Theo
das alles gut sein soll.
Typ sieben: die Dreckschleudern. Diese Kinder sind weniger bösartig als ekelerregend, was für Theo noch um einiges schlimmer ist. (Denn für Theo beginnt Verunreinigung bereits dort, wo ein Pizzateig mit zarten Brauntönen aus dem Holzkohlengrill geholt wird. – Den entsprechenden Teller schiebt er mit der Bemerkung »tmutzig« angewidert zur Seite.)
Dreckschleudern nützen die Gelegenheit einer Begegnung mit Theo dazu, den Grind, der sich an ihren Händen und in ihren Gesichtern angereichert hat, umzuverteilen, um wieder Platz für neue Schmutzpartikel zu schaffen. Deshalb sind diese Kinder gleichermaßen fröhlich wie anschmiegsam.
Theos einziges Mittel der Verteidigung ist die Flucht. Gelingt sie nicht, schlittert er in tiefe Depressionen, aus denen ihn nur ein sofortiger Billa-Besuch oder irgendein Ding mit Lenkrad reißen kann.
Keiner kann aber behaupten, dass sich Theo keine Mühe mit kleinen Kindern geben würde. Er hat sich sogar schon mehrmals zu den letztklassigen aller in Wien vorkommenden Kisten herabgelassen – zu denen des Sandes. Es handelt sich dabei um abgegriffenes Secondhandpulver, das ungefähr das Gegenteil vonjenem Strandsand darstellt, dem Theo in Bibione begegnet ist und den er mit nach Hause nehmen wollte.
Der Wiener Kistensand ist kalt, dunkel, mehlig, modrig – und es gibt darin vielleicht Fliegen oder anderes Ungeziefer, aber sicher keine einzige Mutel. Dafür ist dort der Kindertyp »Dreckschleuder« würdig vertreten.
Theo hat sich Sandkisten nur seinen Betreuern zuliebe angesehen. Die zieht es – ausgerüstet mit Schaufeln und Eimern – magnetisch zu den schmutzigen Vierecken, in denen sich auch »Der Ben, der tut dir nix« und ähnliche Gestalten herumtreiben. Was die Erwachsenen daran finden und warum sie den stubenreinen Theo darin unbedingt Kuchen backen lassen wollen? – Wahrscheinlich sind es nostalgische Gefühle aus ihrer eigenen Kindheit. Damals waren die Zeiten eben schlechter, behaupten sie bei jeder sich bietenden unpassenden Gelegenheit. Vermutlich waren die damaligen Zeiten auch dreckiger.
Schon ohne Kinder sind Sandkisten unter Theos Grenzwerten der Verträglichkeit. Pro Kind nimmt seine persönliche Umweltbelastung dann aber rapide bis dramatisch zu. Um das gleich einmal klarzustellen: Theo befand sich natürlich noch nie innerhalb einer derartigen Sandkiste. Er stand höchstens einige Male am Rand einer solchen und verfolgte von außerhalb das Geschehen. Manchmal zu lang: Da schlug das Geschehen zurück und verfolgte Theo.
Wir wollen hier eine dieser sommerlichen Kistenszeneneinfangen. Und beginnen mit den einführenden Worten des pädagogischen Sandplatzspezialisten: »Theo, schau, da drüben ist eine ganz tolle Sandkiste.« – Theo wirft einen halbschrägen Blick hinüber, dreht sich zum Schaufelträger und sagt: »Genug.«
Der Betreuer setzt nun auf Theos Einsicht und Mitgefühl: »Theo, bitte, spiel doch ein bisschen im Sand, der Onkel ist müde, der will sich eine Viertelstunde ausruhen!« – Soll er doch in der Nacht schlafen, wenn Theo schläft; jetzt wird Autoreparaturwerkstätte gespielt, sagt sich Theo und drückt dem Pädagogen, um das zu bekräftigen, einen blauen Ford Cabrio in die Hand.
Wir überspringen einige Dialogpassagen, in denen sich der Betreuer mit unterwürfigen Gesten und Bitten bis zur Peinlichkeit erniedrigte, und steigen dort ein, wo es ihm letztendlich doch gelungen ist, Theo an den Sandkistenrand zu hieven und sich selbst auf eine schattige Parkbank zurückzuziehen.
Theo weiß zwar nicht genau, was er dort soll. Aber es stört ihn nicht, einfach nur dazustehen und auf das vor ihm liegende Kuchen-Geschirr aufzupassen, besser gesagt, darauf achtzugeben, dass Schaufel und Gießkanne weiterhin frei von jedem Körnchen Sand bleiben.
Sie werden verstehen, dass das keine Tätigkeit ist, mit der man Stunden verbringt. Also sucht und findet Theo recht bald seinen Pädagogen – und unterbricht dessen kümmerlichen Schlafversuch mit den Worten,nein, mit dem Wort: »Genug.« – Und sein harter Tonfall beinhaltet diesmal etwas beinahe Endgültiges.
Doch das Schicksal scheint dem Müden gnädig zu sein. Denn im Hintergrund hat eine Mutter mit zwei – ach Gott, es sind wirklich welche! – mit zwei Kindern die Sandkiste erreicht und ist stolz, ihnen mitteilen zu dürfen: »Schaut, da ist ein Bub! Geht ruhig zu ihm hin. Der Bub freut sich sicher. Tut’s schön miteinander im Sand spielen! (Die Mama ist
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