Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
Vom Netzwerk:
Gefühlen übermannte Begleiter. »Was?«, fragt Theo ein bisschen gereizt. Esel, Hund und Katze lernen einen Hahn kennen, alle vier ziehen nach Bremen. »Jetzt kommt’s!«, verspricht der Begleiter. Theo reißt noch einmal beide Augen auf.
    Die Tiere stoßen auf räuberische Hausbesetzer. Sie klettern übereinander, Hahn auf Katze auf Hund auf Esel (umgekehrt hätte es Theo vermutlich besser gefallen), und schlagen die Räuber in die Flucht. Die Kinder brüllen vor Aufregung und Begeisterung. Die Erwachsenen kriegen feuchte Augen. Theo senkt den Blick und spielt mit dem Nagelbett seines linken Zeigefingers. »Hast du gesehen, wie sich die Räuber gefürchtet haben?«, fragt der Begleiter. »Mhm«, erwidert Theo und ringt sich ein tapferes Lächeln ab. »War das nicht aufregend?« – »Mhm«, sagt Theo. »Krieg ich jetzt eine Wurstsemmel und einen Apfelsaft und eine Schaumrolle?«

Er feiert unter anderem sich
    Theo ist fünf –
    und beherrscht den passiven Widerstand
     
    »Das war diesmal eine schwere Geburt, stimmt’s, Theo?« – »Warum Geburt?«, fragt er. – »Das sagt man so, Theo.« Er setzt eines seiner 34 durchtrainierten Gesichter der Geringschätzung auf. (Jenes mit dem auf der Unterlippe eingehängten Schneidezahn.) »Ist wer geboren worden?« – »Nein, Theo.« – »Wer?« Er wählt einen seiner 34 angewandten durchdringenden Blicke. (Jenen mit den aufgerissenen Horst-Tappert-Augen; er hat niemals »Derrick« gesehen, er ist ein Naturtalent.)
    »Niemand ist geboren worden, Theo, echt nicht.« – »Oh ja«, sagt er. »Du hast es gesagt!« – »Ich hab’s zwar gesagt, aber ich hab’s nicht so gemeint, Theo.« – »Das Christkind?« – »Nein, niemand ist geboren worden, Theo.« – »Oh ja, das Christkind!«, sagt er. Seine Wangen färben sich pfirsichrot. Das ist eines von 34 sicheren Vorzeichen für hereinbrechende Ungemütlichkeit. Theo kann nämlich sehr, sehr ungemütlich werden, wenn er gerade Lust darauf hat. Er hat gerade Lust darauf. »Okay, Theo, das Christkind ist geboren worden.« Es war das Klügste. Widerstand ist zwecklos. (Außer Theos Widerstand.) Er lacht mitleidig. Dieser Sieg war ihm beinahe zu billig.
    Wo waren wir? Ah ja, bei der »schweren Geburt«. Theo ist fünf Jahre alt und am Höhepunkt seiner Macht. Erlässt sich nicht mehr interviewen. Er beantwortet nur noch seine eigenen Fragen, oft allerdings, ohne näher darauf einzugehen. Er schiebt keine Zitate zur unentgeltlichen Volkserheiterung mehr heraus. Seine besten Geschichten teilt er nicht mit, seine schönsten Erlebnisse teilt er mit sich. Er selbst ist eine Frohnatur, aber er verträgt keine lachenden Gesichter neben sich. Er versteht jede Menge Spaß, aber ausschließlich seinen eigenen.
    Im Leben eines jeden Menschen gibt es die Phase des schlechten Sprachwitzes. Alle müssen da durch. Viele bleiben stecken. Manche haben die Phase erst mit zwanzig oder dreißig, dafür dann für immer. Sie sagen »zum Bleistift« statt zum Beispiel (Lehrer). Oder »Kriminalwasser« statt Mineralwasser (Kellner). Oder »Prostata« statt Prost (Gäste). Oder »Andreas« statt anderes (Sachbearbeiter). Oder: »Schlepp-Top« statt Laptop (Jungmanager).
    Theo hat diese Phase jetzt. Sie ist kurz, aber intensiv. Man sagt: »Theo, bitte schmier’ dich nicht mit dem Kugelschreiber an!« Er schmiert sich mit dem Kugelschreiber an und sagt: »Kuckelscheiber, Kruchlscheiner, Kurchlschleier, Grudlschreiner …« Es kann Stunden dauern, zu »Kugelschreiber« fällt ihm genug ein, um parallel dazu die Ganzkörperbemalung ungestört zu Ende zu führen. Zwischen je zwei Wörtern biegt er sich vor Lachen, um die Wortkreationen zu feiern. Einwände wie: »Theo, bitte hör’ auf, das nervt« veranlassen ihn zu »Gurgelreiber« oder »Grunzelsteiner«. Sagtman: »Theo, das ist irgendwie nicht mehr sehr lustig«, so zerwuzelt er sich allein schon über die Zitronengesichter der Personen, die das nicht lustig finden wollen.
    Strenge Mienen in seiner unmittelbaren Umgebung mag er. Besonders gefällt ihm die Verwandlung, wenn also seine Betreuer immer unrunder werden, bis sie dann endlich fragen: »Theo, muss ich wirklich böse werden?« – Jawohl. Das ist Theos Anliegen. Es ist ein Spiel. Es heißt: »Wie weit kann ich gehen?« Irgendwann kommt dann: »Theo, jetzt reicht es!« Stimmt natürlich nicht. Oder: »Theo, hör sofort auf!« – Da fängt es erst richtig an. Und es folgen diese vielen schönen »Wenn-dann-Sätze«. (Wenn du nicht

Weitere Kostenlose Bücher