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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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(auch) er erste Ansätze, ins Pensionsalter vorzurücken: Er spielt Karten. Er ist süchtig danach. Aber nicht, dass Sie glauben, »Schwarzer Peter«, »Quartett« oder ähnliche Familienspiele, mit denen Kleinkinder in den Siebzigern und Achtzigern pädagogisch gequält wurden, wären angesagt. Wir sind echte Wirtshaus-Zocker geworden, wir spielen »das Türkische«, wann, wo, bei wem und so lange es Karten gibt. (Nein. Sagen Sie bitte nicht, dass Sie das göttliche »Türkische« nicht kennen. Theo,stell dir vor, da gibt es tatsächlich noch Leute, die »das Türkische« nicht kennen! Okay, irgendwann erklären wir ihnen die Regeln.)
    »Das Türkische« ist derart sensationell spannend, dass Theo im Spielfluss sogar mit der angenehmen Tradition bricht, das Gegenteil von einem Quatschkopf zu sein. Sie müssen wissen: Theo ist mit seinen sieben Jahren ein bewundernswert besonnenes, ruhiges Kind, das wirklich nur spricht, wenn es nicht gefragt wird. Im Zuge einer Runde »Türkischem« flattern ihm allerdings die Nerven wie die Flügel von in der Luft stehenden Bussarden. Sieg und Niederlage sitzen so eng beisammen wie Theo und seine Mitspieler. Kurzum: Theo gewinnt immer. Und sollte er einmal ernsthaft Gefahr laufen, nicht zu gewinnen, ist das Spiel auch schon vorbei, beziehungsweise hat es gar nicht stattgefunden – entscheidet Theo jeweils am grünen Tisch, oder besser: mit grünem Gesicht am Tisch.
    Bei Nervenflattern und austarierendem Zappeln kommentiert Theo unentwegt das Spielgeschehen, meistens nur für sich selbst. Es sind dies seine ausdrucksstärksten Zitate des Jahres 2001, tiefphilosophisch und hochpolitisch zugleich. Zum Beispiel: »Die Könige sind schon alle g’fallen.« Oder: »Wer die besten Karten hat, gewinnt.« Oder: »Die Damen werd’ ich mir behalten.« Oder: »Nächste Runde mach’ ich mit euch Schluss.« Oder: »Jetzt werde ich alle Asse auf einmal hinlegen.«
    Am schönsten ist das Kartenspiel für Theo unmittelbardanach. Die herkömmliche Siegerehrung ist ihm allerdings zu unspektakulär. Also schließt sich in etwa folgendes Gespräch an. Theo: »Wer hat gewonnen?« Einer aus der Verliererrunde:»Du, Theo.« Theo: »Wer ist der Sieger?« – »Du, Theo.« Theo: »Wer hat die wenigsten Schlechtpunkte?« – »Du, Theo.« Theo: »Wie viele Schlechtpunkte hab’ ich?« – »48 Punkte.« Theo: »Und wer ist der Zweite?« – »Die Tante Lisi.« Theo: »Wie viele Punkte hat die Tante Lisi?« – »112 Punkte.« (Eine Minute Pause, Theo verlangt Kugelschreiber und Papier und rechnet.) Theo: »Die Tante Lisi hat 64 Schlechtpunkte mehr als ich.« – »Ja, so ist es, Theo.« Theo: »Wer ist Letzter geworden?« – »Die Mama.« – »Wie viele Schlechtpunkte hat die Mama?« – »246.« (Theo schmunzelt verschämt.) Theo: »Und wie viele Schlechtpunkte hab’ ich?« – »48.« Theo: »Und die Mama?« (Er hat’s nicht richtig verstanden.) – »246.«
    Theo wirft seiner Mutter einen grauenvoll mitleidigen Blick zu. Theo (laut): »246 Schlechtpunkte?« – »Ja, 246.« (Eine Minute Pause, Theo schreibt und rechnet.) Theo: »Die Mama hat 198 Schlechtpunkte mehr als ich!« (…) Das Gespräch endet, wenn alle außer Theo den Spieltisch verlassen haben.
    Wenn Sie aufmerksam gelesen haben, wird Ihnen aufgefallen sein, dass Theo bereits subtrahieren kann. Das hat auch einen Grund. Er geht nämlich in die Schule. Schon seit dreieinhalb Monaten – und wie es aussieht, könnte es länger werden. Denn er fühlt sich dort nach eigenen Angaben wohl. Sehr wohl. Sehr, sehr wohl.Sehr, sehr, sehr wohl. – Schöpfen Sie schon einen Verdacht? – Gut, ich frage ihn: »Theo? Sag aber nicht, dass du ein Streber bist!« Er lächelt. Ich: »Theeeo? Einmal ganz ehrlich – bist du der Beste in der Klasse?« Theo (verlegen): »Nein, nur der Weiteste.« (Geht er in eine Skisprungschule?) Höflichkeitshalber erwähnt er auch noch seine werte Klassenkollegin Lena, die dürfte ebenfalls recht weit sein. Außerdem ist sie blond.
    Kompliment an die Volksschule auf dem Penzinger Mondweg: Dort lässt man die Kinder beim Lernen ihr eigenes, persönliches Tempo an den Tag legen. Nur absoluter Stillstand wird nicht gern gesehen. Das Gegenteil ist erfreulicherweise erlaubt: So kommt es, dass Theo auf die derzeit brisante Frage: »Theo, weißt du, was ein Euro ist?« mit der Antwort: »Dreizehnkommasiebensechsnulldrei Schilling« aufhorchen lässt. Um zu beweisen, dass das kein Zufall war, gibt er gleich freiwillig zu: »Und

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