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Theo

Titel: Theo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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ins Out katapultierten. Wer sich nicht für Fußball interessiert, hat zwei Möglichkeiten: Entweder er vergisst Theo. Oder er lässt sich von ihm bekehren.
    Theo hat vier Zugänge zum Fußball. Sein mit Abstand spektakulärster heißt: SC Mauerbach. Dort spielt er in der U-8. (Unter acht; keine neue U-Bahn.) Er ist der jüngste und blondeste Spieler. Die schillernde Nummer 6. Der Mittelfeldmotor. Der Sturmtank. Die Verteidiger(not)bremse. Technisch noch ein ungeschliffenes Rohjuwel, aber ein unermüdlicher Rackerer, der gern Ball und Gegner laufen lässt. Am liebsten läuft er freilich selbst.
    Im Herbst hat seine Karriere beim SC Mauerbach begonnen. Da er in der Nähe wohnt, genießt er Heimvorteil. Über die Transfersumme gibt es nur Gerüchte. (Seine Eltern sagen, dass es ganz schön ins Geld geht, ihn ständig zu den auswärtigen Fußballplätzen zu transferieren.) Er hat jedenfalls bereits sieben schwere Turniere in den Beinen. Die Ergebnisse entsprachen voll der Erwartung des Trainers. Der sagte gleich amAnfang: »Kinder, wir sind eine junge, unroutinierte Mannschaft, wir werden eine Zeitlang alles verlieren, stellt euch darauf ein.« Diese Taktik ging voll auf. Mauerbach gegen Königstetten – 1 : 8. Mauerbach gegen Langenrohr – 1 : 6. Tulbing gegen Mauerbach – 5 : 0. Und so weiter. »Es ist wichtig, dass Theo auch das Verlieren lernt«, sagt seine Mama. Weiß sie überhaupt, was sie da sagt? Theo, wie geschaffen für den Sieg, wirft ihr einen abgrundtief verächtlichen Blick zu.
    Aber: SC Mauerbach U-8 ist eine mental starke Mannschaft. Nach sechs Niederlagen gelang ein sensationeller 1 : 0-Kantersieg gegen Gablitz. Torschütze: beinahe Theo. Er machte nur wenige Meter entfernt die Räume eng. Frage nach dem Spiel: »Theo, ist es nicht ein schönes Gefühl zu gewinnen?« Theos Antwort: »Ja, aber nur für den Sieger.« So reden Profis.
    Sein zweiter Zugang zum Fußball ist der ausführliche Spielbericht, die mündliche Reportage, die nachträgliche Analyse. Das geht so: Theo tänzelt um seine auserwählten Zuhörer. Puls: 180. Kopf: rot. Luft: knapp. Stimme: hoch, überschlagend. Und dann die 13. Minute: »Da kommt der Ball soooo auf mich zu, und ich geh’ mit dem Kopf soooo hin, und der Raffael kommt soooo gelaufen, und ich nehm’ den Ball soooo herunter und geh’ mit dem Fuß soooo hin, und der Ball springt soooo weg, und ich renn’ soooo nach …« Dann folgt der Bericht von der 14. Minute. Zwischenrufe sind unerwünscht. Manchmal versuchen es die Eltern mit der Brechstange: »Theo, aus! Das hat keinenSinn, wenn du das erzählst. Man hat nichts davon, wenn man nicht dabei war.« Theo zuckt mit den Schultern: selber schuld, wäre man eben dabei gewesen. 15. Minute: »Der Ball kommt soooo hergeflogen, und ich geh’ soooo hin …«
    Theos dritter Zugang zum Fußball: Er liest Zeitung. Kronen Zeitung ! (Seine Eltern legen Wert auf die Einschränkung: »Nur am Sonntag.«) Sein Interesse ist einseitig und suchtartig. Er liest ausschließlich Fußballergebnisse, Mannschaftsaufstellungen und Tabellen. Er verschlingt sie. Er lernt sie auswendig. Er kennt den österreichischen Fußball nach der Zeitungspapierform von der Max-Bundesliga bis ins tiefste Unterhaus.
    Daran knüpft sich das große Theo’sche Fußballratespiel, dessen Höhepunkt im Sommer erreicht war. Da spielte er es täglich vom Aufwachen bis in den Schlaf. Jeweils ein Kandidat genügte. Bei Übermüdung und Konzentrationsproblemen musste er ausgewechselt werden. (Der Kandidat, nicht Theo, der ging immer über die volle Distanz.) Beispiel: »Bei welcher Mannschaft spielt Kurusovic?« Kandidat: »Roter Stern Belgrad?« Theo: »Bregenz!« (Du Null!) Oder, etwas anspruchsvoller: »Kennst du einen Spieler von GFZ Großfeld?« Antwort: »Ich kenn’ nur die Großfeldsiedlung. Haben die eine Mannschaft?« Theo: »Krainz, Blasanovic  …« Oder, noch etwas anspruchsvoller: »Wer hat fünf Tore geschossen?« Kandidat: »Die Austria?« Theo: »Akagündüz, Ambrosius, Brunmayr, Lässig, Pamic  …« Anschlussfrage: »Wo spielt Pamic?«Fangfrage: »Wie viele Tore hat er geschossen?« (…) Um acht Uhr abends muss er schlafen gehen. (Nicht Pamic, sondern Theo, zum Glück.)
    Sein vierter Zugang zum Fußball ist ein religiöser. Mit einem anderen Wort: Rapid. Wenn er das Wort hört, leuchten seine Augen grün-weiß. Er liebt diese Mannschaft. Sie ihn auch, sonst wäre sie nicht auf dem ersten Tabellenplatz. »Warum ausgerechnet

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