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Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser

Titel: Thomas Mann - Ein Portraet fuer seine Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Kurzke
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perfekt, denn auch zum Hochstapler mußte er nicht erst werden, weil er es immer schon war. «Niemand ergreift, was er nicht von Geburt besitzt.»[ 9 ] Noch präziser gesagt war er ein Schauspieler und Künstler, der zu jeder Rolle befähigt war, und nur, weil der Künstler sowieso ein Hochstapler ist, kann er leicht auch einen Hochstapler spielen. Thomas Mann träumt sich mit dieser Figur hinein in die Fülle aller Möglichkeiten des Künstlertums. Er ist zugleich Felix Krull, dem die Welt zu Füßen liegt, wie auch ein Gegenüber zu ihm. Er träumt sich diesen mit allen Leibesgaben gesegneten Felix Krull, wie er sich vorher den schönen Joseph, den anmutigen Gregorius und den attraktiven Ken Keaton geträumt hatte. Aber er hat ein schlechtes Gewissen dabei. Das Asoziale, Egozentrische und Narzißtische der Figur und des ganzen Plans, der ja aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg stammte, störte ihn jetzt, 1951, als er das Projekt nach fast vier Jahrzehnten wiederaufnahm. Anders als im Falle Josephs oder Gregorius’ war eine Wandlung zum Sozialen oder eine Buße nicht möglich, so daß es ihmoft so vorkam, als sei das jokose Memoirenwerk seiner Jahre nicht würdig.
95
Parodie
    Die
Bekenntnisse
und
Der Erwählte
sind parodistische Werke. Im einen wird
Dichtung und Wahrheit
verspottet, im anderen der fromme Legendenton des Mittelalters. Meistens haben Parodien eine satirische Absicht und wollen den Kredit, den ihre Vorlage hat, zerstören. Nun hatte Thomas Mann aber gar keinen Grund, Goethe oder Hartmann von Aue zu vernichten, im Gegenteil. Seine Parodien sind deshalb ganz anders begründet. Sie wollen ihre Vorlagen bewahren. Durch den Spott hindurch soll der Leser den Anspruch der Vorlage spüren. Im Ton Goethes oder gar Hartmanns zu schreiben würde nach dem Zweiten Weltkrieg hoffnungslos veraltet oder epigonal wirken. Diesen Ton aber scherzhaft auf die Schippe zu nehmen ist ästhetisch möglich. Das Problem wurde bereits im Teufelsgespräch des
Doktor Faustus
erörtert. Man könnte mit Formen spielen, aus denen das Leben geschwunden ist, sagt Adrian Leverkühn dort, woraufhin der Teufel ihm eine höhnische Abfuhr gibt: «Ich weiß, ich weiß. Die Parodie. Sie könnte lustig sein, wenn sie nicht gar so trübselig wäre in ihrem aristokratischen Nihilismus.» Ob er sich viel Glück und Größe von solchen Schlichen verspreche? Leverkühn verneint zornig.[ 10 ] Thomas Mann hält sich nicht an dieses Nein, aber der Degenstich sitzt, den Vorwurf des aristokratischen Nihilismus wird er nicht mehr los, unter seinem Vorbehalt steht alles, was er dagegenzusetzenversucht. Er parodiert und verspottet, weil er muß, wenn er seinem ästhetischen Anspruch gerecht werden will, aber er sehnt sich zugleich nach der Gültigkeit der Welten Goethes oder Hartmanns. Er parodiert voll Liebe und Wehmut, abschiednehmend, nicht mit dem Willen zum Vernichten, sondern mit dem Willen, wenigstens als Literatur zu bewahren, was als Glaube und universale Weltanschauung verlorengegangen ist.
Der Erwählte
belächelt das Alte und Fromme, aber dies Lächeln ist mehr melancholisch als frivol, «und der verspielte Stil-Roman, die Endform der Legende, bewahrt mit reinem Ernst ihren religiösen Kern, ihr Christentum, die Idee von Sünde und Gnade.»[ 11 ] Auch die
Bekenntnisse
sind nicht nur destruktiv. Felix lernt am Ende doch noch etwas, obgleich das im Schelmenroman nicht üblich ist. Er wird Goethe verehren in Gestalt von Professor Kuckuck – was ihn freilich nicht hindern wird, mit Senhora Kuckuck ins Bett zu gehen.
96
König
    Der Vorkriegsplan sah eine Audienz beim König von Portugal vor, die Thomas Mann im Jahr 1895 stattfinden läßt. Nun hätte er, als er die Szene im August und September 1953 mit großer Mühe ausführt, das Thema ja auch ein wenig ins Demokratische umbiegen können. Das Umgekehrte ist der Fall. Er läßt seinen Felix Krull vor König Dom Carlos I. so reden, wie er selbst zur Zeit der
Betrachtungen eines Unpolitischen
geredet hätte, und gibt damit zu erkennen, wieviel Sympathie ihn nach rückwärts mitden aristokratischen Verhältnissen, aus denen er stammt, immer noch verbindet. Der Hochstapler singt das Lob der Ungleichheit. Die Unterschiede von Reich und Arm, Vornehm und Gering einzuebnen sei wider die Natur. Er pointiert:
    Der in Lumpen gehüllte Bettler leistet durch sein Dasein denselben Beitrag zum farbigen Bilde der Welt wie der große Herr, der in die demütig ausgestreckte Hand, deren Berührung er

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