Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
waren. Noch war er sehr schlank, beinahe etwas mager, aber in einigen Jahren würde er ein stolzer und gutaussehender Jäger sein. Ariac ritt auf einem hellbraunen Hengst und scherzte mit den anderen Steppenmännern. Er war stolz, denn erst vor wenigen Tagen hatte er die Tätowierungen erhalten, die deutlich machten, dass er die erste Stufe zum Jäger hinter sich gebracht hatte und er nun kein Junge mehr war. Eine Pfeilspitze zierte seinen rechten Arm, und an den Schläfen trug er nun feine, kunstvoll verschlungene Muster.
Die Jäger hatten sich die toten Tiere über die Sättel geworfen. Die Steppenbewohner galten als wildes Reitervolk, das sich von nichts und niemandem bezwingen ließ. Sie führten ein Nomadenleben und waren, sehr zum Missfallen vieler Könige, nirgends festzuhalten. Doch da die Steppe für die meisten Könige oder Edelmänner ohnehin nichts bot, ließ man sie einigermaßen in Ruhe.
Ariac sog die frische klare Luft ein. Er liebte es, über die
endlose Steppe zu galoppieren. Im Norden sah man die Ausläufer der Eisberge, die den gesamten Norden bedeckten. Ganz fern im Süden die ersten Wälder und den Myrensee, der vor dem Donnergebirge lag. Momentan lagerte der Clan der Arrowann, dessen Anführer Ariacs Vater war, nicht weit vom Buschland, das die Steppe von den nördlichen Königreichen trennte. Die Arrowann trieben gelegentlich Handel mit fahrenden Händlern, die im Frühling vom Süden über die uralte Handelsstraße in den Norden zogen. Dann wurden Felle und Werkzeuge aus Knochen gegen Mehl, Kleider oder Sonstiges getauscht. Eigentlich mochte Ariac es nicht sehr, in der Nähe des Buschlands und der Königreiche zu sein, denn dann fühlte er sich eingesperrt. Andererseits hatte er über den Winter, so hoffte er zumindest, gute Knochenwerkzeuge hergestellt und heute genügend gejagt, um dies gegen einen eigenen Dolch eintauschen zu können, den er sich schon seit vielen Jahren wünschte.
Die Jagdgruppe ritt auf das Lager zu, das unweit der staubigen Straße, die nur sehr wenig befahren war, im bräunlichen, verdörrten Gras des letzten Winters lag. Es waren dreiundzwanzig Zelte, in denen die Arrowann mit ihren Familien lebten. Weiter südlich konnte Ariac mit seinen scharfen Augen eine ähnliche Ansammlung von Zelten sehen. Das war der Wolfsclan, wie Ariac wusste. Sie wollten wohl ebenfalls ihre Waren verkaufen. Ein Grinsen überzog sein von der Sonne gebräuntes Gesicht mit den hohen Wangenknochen. Die Steppenleute hatten ohnehin alle etwas dunklere Haut als die übrigen Menschen. Beim Wolfsclan sollte es viele hübsche Mädchen geben, wie Halran ihm erzählt hatte.
Halran, ein großer Jäger mit sehr viel dunkleren Haaren als Ariac und Tätowierungen, die seine ganzen Arme ebenso wie seine rechte und linke Gesichtshälfte von der Stirn bis zu den Wangenknochen bedeckten, hatte Ariacs Blick gesehen.
»Du brauchst erst noch ein paar Tätowierungen, bevor du
dir über Mädchen Gedanken machen kannst«, sagte er mit hochgezogenen Augenbrauen und gab Ariac einen gutmütigen Klaps auf den Hinterkopf.
Die anderen, zumeist älteren Jäger, die bereits eine Menge Tätowierungen hatten, welche sie als gute Jäger und starke Kämpfer auszeichneten, lachten laut auf.
Ariac lief ziemlich rot an und strich sich über die kaum verheilten, dunklen Linien, die er an seinen Schläfen hatte. Noch waren es nur kleine Tätowierungen, aber bald würden es mehr werden, wenn er erst öfters auf die Jagd gegangen wäre und gegen die wilden Tiere der Steppe oder Orks, die sich in den Bergen versteckt hielten, gekämpft hatte.
»Komm, mach dir nichts draus«, sagte Fodrac, Ariacs Cousin, der bereits sechzehn Jahre alt war, »sie ärgern immer diejenigen, die zu neuen Jägern geworden sind.«
Ariac seufzte, er wünschte sich wirklich, endlich erwachsen zu sein.
Die Jagdgesellschaft wurde mit lauten Rufen von den Frauen und Männern des Clans begrüßt. Alle hatten lange Haare von dunklem Braun, so wie Ariac, bis zu tiefem Schwarz wie seine Mutter. Thyra kam gerade auf ihn zu. Sie wurde von Lynn und Léa begleitet. Ariacs drei Jahre ältere Schwestern waren Zwillinge und hatten die gleichen rabenschwarzen Haare wie ihre Mutter.
»Nein, unser kleiner Bruder hat doch tatsächlich etwas gejagt«, rief Lynn aus, und Léa kicherte. »Ich hätte gedacht, du fällst vom Pferd.«
Ariac plusterte sich wütend auf und warf das tote Steppenreh vor die Füße seiner schreienden Schwester. »Nimm es aus, damit du für
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