Thondras Kinder - Roberts, A: Thondras Kinder
nachzudenken.
Durch das riesige, mit steinernen Blüten verzierte Tor stürmten ihre fünf Freunde ihr entgegen. Rudrinn, der in den letzten zwei Jahren ebenso zum Mann geworden war wie die anderen, hob sie hoch, nachdem sie abgestiegen war, und wirbelte sie herum. Er trug jetzt einen kurzen Bart, und seine leicht gelockten, rabenschwarzen Haare waren etwas länger als früher.
Anschließend ließ er sie lachend herunter, hielt sie ein Stück von sich weg und rief: »Du meine Güte, Rijana! Du bist ja eine wunderschöne junge Frau geworden!«
Rijana lief rot an und schubste ihn von sich. »Red nicht so einen Blödsinn, Rudrinn.«
Doch auch die anderen musterten sie bewundernd, sodass Rijana nur verlegen ihren Blick senkte. Anschließend betrachtete Rijana alle noch einmal genau. Sie hatte ihre Freunde wirklich vermisst. Alle trugen edle Gewänder in blau und weiß und sahen elegant aus. Falkann wirkte muskulöser als früher und trug nun genauso wie Rudrinn einen Bart. Tovion war glattrasiert, und auch er sah jetzt wie ein junger Mann aus, nicht mehr wie ein schlaksiger Junge. Den verträumten Blick hatte er allerdings immer noch. Broderick, der bereits bei ihrer Abreise einen Stoppelbart getragen hatte, wirkte nun ebenfalls kräftiger und männlicher. Es waren nur zwei Jahre gewesen, doch sie alle hatten sich sehr verändert. Saliah war in dieser Zeit natürlich noch schöner geworden, stellte Rijana ein wenig neidisch fest.
König Greedeon, der schon beim ersten Mal, als Rijana ihn gesehen hatte, sehr imposant und mächtig gewirkt hatte, trat nun ebenfalls aus dem Tor. Er bedachte sie mit einem Lächeln. »Herzlich willkommen«, sagte er und machte eine ausholende Handbewegung. »Nun ist auch die Sechste der Sieben bei mir.«
Sie verbeugte sich ein wenig unsicher. Der König nahm sie an der Hand, und Rijana lief schon wieder rot an.
»Du bist ebenso schön wie deine Freundin Saliah«, stellte König Greedeon fest.
Rijana lächelte unverbindlich. Der König führte sie durch das riesige Schloss. Jeder Raum war mit edlen Teppichen ausgekleidet, die Türknäufe und Geländer vergoldet, und alles wirkte sauber und gepflegt. Rijana musste sich sehr beherrschen, um nicht vor Staunen stehen zu bleiben. Zum Schluss führte der König Rijana in einen großzügigen Raum, in dem ein riesiges Himmelbett stand.
»Hier kannst du schlafen.« Er deutete auf das prachtvolle Zimmer.
Rijana setzte sich ehrfürchtig auf das große Bett.
»Es liegt Kleidung auf dem Stuhl dort drüben. Ein Diener wird dich in den Speiseraum führen«, erklärte der König und zog sich zurück.
Rijana ließ sich auf die weiche Seidendecke fallen. Sie konnte das alles gar nicht glauben. Schließlich erhob sie sich widerstrebend, wusch sich den Staub der Reise aus dem Gesicht und zog anschließend das dunkelblaue Kleid mit den weißen Rüschen an. Am Oberkörper war es zu weit und unten zu lang, sodass sie dauernd stolperte. Doch bevor sie daran etwas ändern konnte, klopfte schon ein Diener in einem blauschwarzen Gewand an ihre Tür und geleitete sie die Treppe hinunter. Rijana raffte ihren Rock und bemühte sich, nicht hinzufallen. Ihre Freunde saßen bereits an einem großen Tisch, der üppig gedeckt war. Der König erhob sich und führte Rijana zu dem Platz neben sich.
Mit einem Nicken deutete er zu dem Mann, der Rijana gegenüber an der Tafel saß. »Darf ich dir meinen Berater Flanworn vorstellen?«
Ein mittelgroßer Mann mit einer Halbglatze, die er wohl dadurch zu verstecken versuchte, dass er sich die fettigen Haare nach vorne kämmte, erhob sich und bedachte Rijana mit einem gierigen Blick.
Rasch zog sie ihren viel zu großen Ausschnitt zusammen und setzte sich hin.
Saliah, die neben ihr saß, sah natürlich wunderschön aus in ihrem perfekt sitzenden Kleid. Sie beugte sich zu Rijana: »Wir werden nachher die Schneiderin aufsuchen.«
Rijana nickte und kam sich neben der Freundin mal wieder wie ein dummes kleines Bauernmädchen vor. Berater Flanworn lehnte sich mit einem schmierigen Grinsen über den Tisch, wobei er schlechte, gelbliche Zähne entblößte.
»Probiert diesen Wein, junge Lady. Er wird Euch schmecken.« Damit schenkte er Rijana ein Glas Weißwein ein, welchen diese mit unsicherem Lächeln trank.
Der König unterhielt seine Gäste mit Gesprächen über Politik und verbreitete Neuigkeiten über König Scurrs Überfälle. Rijana versuchte immer wieder, den Blicken des Beraters auszuweichen, der sie mehr als
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