Thors Valhall
glaube, ich habe genug gesehen.“
Thor grinste noch immer schadenfroh. „Mach’ dir keine Sorgen. Erik ist bei mir in guten Händen.“
„Du bist ein widerliches Schwein!“, brüllte Tony. Wütend drehte er sich um.
„Bleib hier, Tony!“, hörte er Erik noch rufen, doch das hinderte ihn nicht daran, das Hotel zu verlassen.
„Lass ihn gehen“, forderte Thor. Er hatte Erik fest am Arm gepackt und hielt ihn somit davon ab, Tony zu folgen. „Der wird sich schon wieder beruhigen.“
Dylan saß am Frühstückstisch und bekam keinen Bissen herunter. Angespannt sah er auf sein Handy. Still rechnete er sich aus, wie lange Tony gebraucht haben könnte … Der Weg zum Hotel, die Schritte zum Hotelzimmer, die Konfrontation, die Erkenntnis, das Umkehren zum Wagen, das Wählen seiner Nummer … Kurz darauf leuchtete das Display seines Handys auf, und ein Klingelton ertönte.
„Ja?“
„Wusstest du es?“ Tonys Stimme klang aufgebracht, fassungslos. Es war so klar, wovon er sprach. Dennoch gab sich Dylan zuerst unwissend. Vielleicht konnte er damit etwas Zeit schinden, um die passenden Worte für diesen frustrierenden Dialog finden zu können?
„Was meinst du denn, Tony?“
„Erik und Thor! Die beiden … vögeln miteinander! – Wusstest du das?“
Dylan zögerte. Was sollte er antworten? Natürlich wusste er es, auch wenn er es erst am vergangenen Abend bestätigt bekam. Aber Thor und Erik waren ihm schon immer durch ein viel zu herzliches Miteinander aufgefallen, und das, wo Thor Fahlstrøm doch eher als unbequem und schwierig galt.
Dass sie irgendetwas ganz besonderes miteinander verband, war irgendwie klar gewesen, auch wenn diese Tatsache schmerzte.
„Ich habe es vermutet, ja …“
„Und das stört dich nicht???“ Tony war außer sich.
„Was soll ich denn machen?“, erwiderte Dylan. Ausnahmsweise ließ er sich von der Wut seines Managers nicht mitreißen. „Ich kann es doch nicht ändern.“
Das war wirklich so, wie er schmerzlich feststellen musste. Thor Fahlstrøm tat immer, was er wollte, ohne Rücksicht auf Verluste.
Dylan hatte keinen Anspruch auf ihn, noch auf sein Verhalten. Ganz anders, als Tony und Erik, die sich wie selbstverständlich als Paar ausgaben, war die Beziehung zwischen Dylan und Thor alles andere als klar definiert.
„Vielleicht ist es gar nicht so, wie du denkst …?“
Dylan seufzte. Nichts wünschte er sich mehr als das.
„Ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll.“ Tony legte auf.
Die Stimmung im Studio war fühlbar bedrückt. Thor und Dylan wechselten zuerst gar kein Wort miteinander, Angus und Clifford steckten ständig die Köpfe zusammen und tuschelten ganz aufgewühlt über die Informationen, die Tony jahrelang geheim gehalten hatte.
Auch Erik brachte kein Lachen zu Stande. Als sie im Übungsraum ein paar Liedpassagen probten, bediente er den Bass, wie ferngesteuert. Seine blauen Augen wirkten müde und leer. Trotzdem kam er in einer der Pausen, die sie regelmäßig einlegten, direkt auf Dylan zu.
„Tony kommt heute wohl nicht mehr?“
Dylan schüttelte den Kopf. Nach dem Telefonat war Tony nicht mehr im Bungalow aufgetaucht. Auch im Studio zeigte er sich nicht.
„Er wird wohl in der Klinik sein.“
„Warum musste er auch so einen Mist verzapfen?“ Erik wirkte betrübt.
„Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit“, fügte Dylan sofort hinzu. Sie sahen sich an.
„Du weißt, was gestern Abend passiert ist?“ Eriks Worte klangen erstaunt und zugleich zögernd.
Dylan nickte.
„Du bist nicht sauer auf mich?“ Eriks Augen weiteten sich.
Dylan hob die schmalen Schultern ein wenig an. „Es ist passiert … Und irgendwie habe ich schon immer vermutet, dass zwischen euch was läuft.“
„Nein – da läuft nichts … mehr.“
Er drehte seinen Kopf, doch niemand sonst war in der Nähe. Nur aus dem Studio drangen gedämpft ein paar Stimmen.
Erik deutete nach draußen. „Lass uns kurz raus gehen. Ich will dir was erzählen, und ich möchte nicht, dass Thor das mitbekommt.“
Sie begaben sich in den Hinterhof des Gebäudes, dort waren sie ungestört. Während sie eine Zigarette rauchten, begann Erik zu erzählen:
„Nach Magnus’ Tod, als Thor im Gefängnis saß, habe ich zu ihm gestanden, habe mich um alles gekümmert. Um sein Anwesen, die Post, alles, was Wooden Dark betraf. Thor wollte nicht, dass es mit der Band ebenfalls zu Ende ging, obwohl die anderen zwei Mitglieder ausgestiegen waren. Irgendwie wollte keiner mehr was
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