Throne of Glass – Die Erwählte
bei wirklich schweren Krankheiten einsetzen. Und hier, wo Magie verboten ist … Die Macht der Wyrdzeichen ist zwar eine andere, aber wenn herauskäme, dass ich Gebrauch davon mache, würde ich dafür eingesperrt.«
Celaena versuchte noch einmal, sich gerade hinzusetzen, und fluchte, weil sie bei der kleinsten Bewegung vor Schmerz fast ohnmächtig wurde. »Du hast die Wyrdzeichen benutzt?«
Nehemia nickte ernst. »Wir halten sie geheim wegen der furchtbaren Macht, die sie entfesseln können. Furchtbar, weil man sie für gute wie auch für böse Zwecke einsetzen kann – und meistenswurde ihre Macht für böse Taten missbraucht. Seit der Stunde meiner Ankunft war mir klar, dass hier jemand mithilfe der Wyrdzeichen Dämonen aus den Anderswelten herbeiruft – den Gefilden jenseits unserer Wirklichkeit. Dieser Narr Cain wusste genug über die Wyrdzeichen, um die Kreaturen zu beschwören, aber er hatte keine Ahnung, wie er sie beherrschen und zurückschicken sollte. Die letzten Monate war ich damit beschäftigt, die Kreaturen, die er herbeirief, zu bannen und zu vernichten. Deshalb habe ich oft keine Zeit gehabt.«
Schamesröte glühte auf Celaenas Wangen. Wie hatte sie jemals glauben können, dass Nehemia die Champions tötete? Sie hob die rechte Hand und betrachtete ihre Narbe. »Deshalb hast du mir in der Nacht, in der ich gebissen wurde, keine Fragen gestellt. Du – du hast mich mit Wyrdzeichen geheilt.«
»Ich weiß noch immer nicht, wie oder wo du dem Ridderak begegnet bist. Aber diese Geschichte kannst du mir auch ein andermal erzählen.« Nehemia schnalzte mit der Zunge. »Die Zeichen unter deinem Bett waren auch von mir.«
Bei diesen Worten zuckte Celaena unwillkürlich zusammen. Sie atmete geräuschvoll aus, als sie im ganzen Körper einen scheußlichen Schmerz verspürte.
»Diese Symbole sollten dich beschützen. Es war ganz schön mühsam, sie immer wieder zu erneuern, nachdem du sie weggewischt hattest.« Ein Lächeln huschte über Nehemias volle Lippen. »Ohne sie wäre der Ridderak sehr viel früher bei dir aufgetaucht.«
»Warum?«
»Weil Cain dich gehasst hat! Und weil er wollte, dass du aus dem Wettkampf ausscheidest. Ich wünschte, er würde noch leben, dann könnte ich ihn fragen, wo er gelernt hat, einfach so Portale aufzureißen. Als du durch das Gift zwischen beiden Welten hin- und hergezerrt wurdest, hat er diese Kreaturen mit seiner bloßen Gegenwartins Zwischenreich geholt. Sie sollten dich vernichten. Nun, nach allem, was er angerichtet hat, hat er seinen Tod vermutlich verdient.«
»Chaol …« Celaena sah zur Tür. Sie hatte ihn seit dem Kampf nicht mehr gesehen. Hatte der König ihn dafür bestraft, dass er ihr geholfen hatte?
»Diesem Mann liegt mehr an dir, als euch beiden klar ist«, sprach Nehemia weiter, ein Lächeln in der Stimme. Celaenas Gesicht glühte.
Nehemia räusperte sich. »Du willst sicher wissen, wie ich dich gerettet habe.«
»Wenn du es mir so gern verraten möchtest«, sagte Celaena und die Prinzessin grinste.
»Mit den Wyrdzeichen konnte ich ein Portal in eines der Reiche der Anderswelt öffnen – für Elena, die erste Königin von Adarlan.«
»Du kennst sie?« Celaena hob eine Augenbraue.
»Nein, aber sie hat auf meinen Hilferuf geantwortet. Nicht alle Reiche sind voller Dunkelheit und Tod. Einige sind mit guten Wesen bevölkert – Wesen, die nach Erilea kommen, um uns zu helfen, wenn wir sie dringend genug brauchen. Elena hatte deinen Hilfeschrei schon gehört, bevor ich das Portal geöffnet habe.«
»Ist es … ist es auch möglich, diese anderen Welten zu besuchen?« Celaena erinnerte sich vage an die Wyrdtore, auf die sie vor Monaten in einem Buch gestoßen war.
Nehemia musterte sie aufmerksam. »Das weiß ich nicht. Meine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen. Jedenfalls war die Königin in unserer Wirklichkeit und zugleich auch wieder nicht. Sie befand sich in einem Zwischenreich, über das sie nicht hinausgelangen konnte, genauso wenig wie die Kreaturen, die du gesehen hast. Man braucht eine unglaubliche Macht, um ein echtes Portal zu öffnen und ein Wesen hindurchzulassen – und selbst dann wird das Portalsich nach kurzer Zeit wieder schließen. Cain konnte seine Portale gerade so lange offen halten, damit der Ridderak hindurchkam. Ich musste wieder welche öffnen, um ihn zurückzuschicken. Wir haben monatelang Katz und Maus gespielt.« Die Prinzessin rieb sich die Schläfen. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie anstrengend das
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