Throne of Glass – Die Erwählte
Rinnsalen über die blasse Haut. Sie trainierte schon seit einer Stunde. Ihre Arme zitterten, als sie sich ein weiteres Mal hochzog.
Sie mochte zwar so tun, als würde sie im Mittelfeld bleiben, aber das war kein Grund, auch so zu trainieren. Und selbst wenn ihr Körper sie bei jeder Wiederholung anbettelte, aufzuhören – so sehr war sie gar nicht außer Form, schließlich war die Spitzhacke in den Minen schwer gewesen. Und dass ihre Mitbewerber sie gestern beim Geländelauf vernichtend geschlagen hatten, spielte definitiv keine Rolle.
Sie hatte bereits einen kleinen Vorsprung. Den musste sie nur noch ausbauen.
Ohne ihr Training zu unterbrechen, lächelte Celaena den Captain an und keuchte durch die zusammengebissenen Zähne. Zu ihrer Überraschung lächelte er zurück.
~
Am selben Nachmittag zog ein heftiges Unwetter auf, und nachdem Celaena das Training mit den anderen Champions beendet hatte, durfte sie Chaol auf einem Rundgang durchs Schloss begleiten. Chaol machte zwar kaum den Mund auf, aber sie war froh, ihren Gemächern zu entkommen. Sie hatte eines ihrer neuen Kleider angezogen – ein wunderschönes fliederfarbenes Seidenkleid mit zartrosa Spitze und Perlenstickereien. Als sie um eine Ecke bogen, wären sie beinahe mit Kaltain Rompier zusammengestoßen. Die Assassinin wollte gerade das Gesicht verziehen, aber sie vergaß Kaltain augenblicklich, als ihr Blick auf deren Begleiterin fiel. Es war eine Eyllwe.
Sie sah umwerfend aus, ihre Züge waren ebenmäßig und harmonisch und ihr großer, schlanker Körper war perfekt geformt und geschmeidig. Ihr locker sitzendes weißes Kleid bildete einen reizvollen Kontrast zu der hellbraunen Haut und ein breiter, dreiteiliger Halsreif aus Gold bedeckte einen großen Teil ihrer Brust und ihres Nackens. An ihren Handgelenken schimmerten Armbänder aus Elfenbein und Gold und um die Knöchel trug sie über den Sandalen dazu passende Fußkettchen. Auf ihrem Kopf thronte ein schmales Krönchen, von dem Gold und Edelsteine herabhingen. Sie hatte zwei männliche Wachen bei sich, die bis an die Zähne mit aus Eyllwe stammenden Krummdolchen und Schwertern bewaffnet waren, und beide musterten Chaol und sie eingehend – um die mögliche Gefahr abzuwägen.
Die Eyllwe war eine Prinzessin.
»Captain Westfall!«, sagte Kaltain und machte einen Knicks. Neben ihr verbeugte sich ein untersetzter Mann im rot-schwarzen Gewand eines Ratsherrn vor ihnen.
Die Eyllwe-Prinzessin stand vollkommen reglos da, ihre braunen Augen ruhten wachsam auf Celaena und ihrem Begleiter. Celaena schenkte ihr ein kleines Lächeln und die Prinzessin kam näher, woraufhin ihre Wachen ein wenig nervös wurden. Sie bewegte sich mit natürlicher Anmut.
Als Kaltain auf die junge Frau deutete, stand kaum verhohlene Abneigung in ihr schönes Gesicht geschrieben. »Das ist Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Nehemia Ytger von Eyllwe.«
Chaol machte eine tiefe Verbeugung. Die Prinzessin deutete ein Nicken an – kaum mehr als ein leichtes Senken des Kinns. Celaena kannte den Namen. Oft hatte sie die Eyllwe-Sklaven in Endovier Nehemias Schönheit und Mut rühmen hören. Nehemia, Licht von Eyllwe, die sie aus ihrer Not retten würde. Nehemia, die, wenn sie eines Tages den Thron ihres Heimatlandes bestieg, eine Gefahrfür die Herrschaft des Königs von Adarlan werden könnte. Nehemia, so flüsterte man sich zu, die die Rebellen in Eyllwe heimlich mit Informationen und Vorräten versorgte. Aber was tat sie hier?
»Und das ist Lady Lillian«, fügte Kaltain schnell hinzu.
Celaena vollführte den tiefsten Knicks, den sie machen konnte, ohne hinzufallen, und sagte auf Eyllwe: »Willkommen in Rifthold, Eure Hoheit.«
Prinzessin Nehemia lächelte langsam, die anderen staunten. Der Ratsherr strahlte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Warum wurde Nehemia nicht vom Kronprinzen begleitet oder wenigstens von Perrington? Warum wurde sie von Kaltain Rompier herumgescheucht?
»Danke«, erwiderte die Prinzessin mit leiser Stimme.
»Ihr habt sicher eine lange Reise hinter Euch«, sprach Celaena auf Eyllwe weiter. »Seid Ihr heute angekommen, Eure Hoheit?«
Nehemias Wachen wechselten einen Blick und Nehemias Brauen hoben sich ein wenig. Nicht viele Menschen aus dem Norden sprachen ihre Sprache. »Ja, und die Königin hat die da geschickt« – Nehemia deutete mit dem Kinn auf Kaltain –, »um mich herumzuführen, zusammen mit diesem schwitzenden Wurm.« Mit zusammengekniffenen Augen blickte die Prinzessin
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