Throne of Glass – Die Erwählte
einmal gehört hatte und der ihr schon den ganzen Vormittag charmant zulächelte. Die drei Söldner sahen aus, als würden sie ohne Weiteres jemanden bei lebendigem Leibe in den Kochtopf stecken, und dann waren da noch zwei Mörder in Ketten.
Bill Chastain, der Augenfresser, riss – wie schon sein Name besagte – seinen Opfern die Augen aus und verspeiste sie. Er sah überraschend gewöhnlich aus, hatte mausbraunes Haar, gebräunte Haut und war durchschnittlich groß. Celaena musste sich allerdings beherrschen, nicht ständig seinen mit Narben übersäten Mund anzustarren. Der andere Mörder war Ned Clement, der drei Jahre lang unter dem Namen Scythe – »die Sense« – gemordet hatte, wegen der Waffe, mit der er Tempelpriesterinnen gefoltert und zerhackt hatte. Es war ein Wunder, dass man die beiden Männer nicht hingerichtet hatte. Aus ihrer sonnenverbrannten Haut schloss Celaena allerdings, dass sie die Jahre seit ihrer Verhaftung mit Zwangsarbeit unter der Sonne von Calaculla verbracht hatten, dem südlich gelegenen Schwesterlager von Endovier.
Dann kamen zwei narbengesichtige, stille Männer, anscheinend die Spießgesellen eines weit entfernten Warlords, und dann die fünf Assassinen.
Die Namen der ersten vier vergaß Celaena sofort wieder: ein überheblicher, schlaksiger Junge, ein bulliger Rohling, ein geringschätzig dreinblickender Wicht und ein schniefender, adlernasiger Trottel, der behauptete, eine Schwäche für Messer zu haben. Sie waren nicht einmal in der Gilde der Assassinen – Arobynn Hamel hätte sie nie aufgenommen. Dafür waren eine jahrelange Ausbildung und eine mehr als eindrucksvolle Erfolgsbilanz erforderlich. Undselbst wenn diese vier eine Ausbildung haben mochten, fehlte ihnen doch die Raffinesse, die Arobynns Gefolgsleute auszeichnete. Celaena würde ein Auge auf sie haben müssen, aber wenigstens gehörten sie nicht zu den Schweigenden Assassinen von den windgepeitschten Dünen der Red Desert. Die wären ihrer würdig gewesen und hätten sie ein wenig ins Schwitzen gebracht. In einem glühend heißen Sommer hatte sie einen Monat lang bei ihnen trainiert und bei der Erinnerung an ihre mörderischen Übungen spürte sie noch ihren Muskelkater.
Der letzte Assassine, der sich Grave nannte, gab ihr zu denken. Er war klein und schmächtig und hatte die Art böses Gesicht, die einen schnell wegschauen ließ. Er war in Ketten in den Raum geführt worden und man hatte sie ihm erst abgenommen, nachdem seine Wachen – alle fünf – ihn streng verwarnt hatten. Sogar jetzt standen sie in seiner Nähe und beobachteten ihn unablässig. Als Grave sich vorstellte, ließ er ein öliges Lächeln aufblitzen und zeigte dabei seine braunen Zähne. Celaenas Abneigung nahm noch zu, als er den Blick über ihren Körper gleiten ließ. So ein Assassine würde es nicht dabei belassen, nur zu töten. Nicht, wenn sein Opfer weiblich war. Sie zwang sich, seinem gierigen Blick standzuhalten.
»Und du?«, fragte Brullo in ihre Überlegungen hinein.
»Lillian Gordaina«, sagte sie und reckte das Kinn. »Juwelendiebin aus Bellhaven.«
Mehrere Männer kicherten und sie biss die Zähne zusammen. Ihnen würde das Lachen vergehen, wenn sie ihren wahren Namen erführen, wenn sie wüssten, dass sie ihnen ohne Messer bei lebendigem Leib die Haut abziehen könnte.
»Gut«, sagte Brullo und winkte sie weg. »Ihr habt fünf Minuten, um eure Waffen zu verstauen und durchzuatmen. Dann gibt es einen Pflichtlauf, um zu sehen, wie fit ihr seid. Alle, die die Distanz nicht schaffen, gehen nach Hause oder dürfen weiter in dem Gefängnisschmoren, in dem man euch ausgegraben hat. Die erste Prüfung ist in fünf Tagen. Seid dankbar, dass wir so gnädig sind und sie nicht früher ansetzen.«
Damit liefen alle auseinander, und die Champions tauschten sich flüsternd mit ihren Trainern aus, welchen Gegner sie für die größte Bedrohung hielten. Höchstwahrscheinlich Cain oder Grave. Sicher nicht eine Juwelendiebin aus Bellhaven. Chaol blieb an ihrer Seite und sah den Champions nach. Sie hatte nicht acht Jahre damit zugebracht, sich einen Ruf aufzubauen, um nach nur einem Jahr Zwangsarbeit in Endovier auf so eine Weise ignoriert zu werden. »Wenn ich mich selbst noch einmal als Juwelendiebin bezeichnen muss, dann –«
Chaol hob die Augenbrauen. »Dann tut Ihr was genau?«
»Wisst Ihr, wie demütigend es ist, so zu tun, als wäre ich irgendeine dahergelaufene Diebin aus einem Kaff in Fenharrow?«
Schweigend musterte
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