Throne of Glass – Die Erwählte
den kleinen Ratsherrn an, der die Hände rang und sich die Stirn mit einem Taschentuch abtupfte. Vielleicht wusste er, was für eine Bedrohung Nehemia darstellte; aber warum hatte man sie dann ins Schloss gebracht?
Celaena fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und musste sich das Lachen verkneifen. »Er sieht ein bisschen nervös aus.« Sie musste das Thema wechseln, sonst würde sie sich nicht beherrschen können. »Was haltet Ihr vom Schloss?«
»Es ist das albernste Ding, das ich je gesehen habe«, sagte Nehemia und musterte die Decke, als könnte sie durch den Stein hindurchbis in die Bereiche aus Glas blicken. »Eher würde ich eine Sandburg betreten.«
Chaol beobachtete sie ein wenig ungläubig.
»Ich fürchte, ich habe kein Wort verstanden«, unterbrach Kaltain. Celaena musste sich zusammenreißen, um nicht die Augen zu verdrehen – sie hatte die andere ganz vergessen.
»Wir«, sagte die Prinzessin und suchte nach dem richtigen Wort auf Adarlan, »haben uns mit dem Wetter unterhalten.«
»Über das Wetter«, verbesserte Kaltain spitz.
»Passt auf, was Ihr sagt!«, blaffte Celaena, ohne nachzudenken.
Kaltain widmete Celaena ein boshaftes kleines Lächeln. »Da sie hier ist, um unsere Sitten zu lernen, sollte ich sie wohl korrigieren, damit sie nicht töricht klingt.«
War Nehemia hier, um ihre Sitten zu lernen, oder wegen etwas ganz anderem? Die Gesichter der Prinzessin und ihrer Wachen waren undurchdringlich.
»Eure Hoheit«, sagte Chaol und tat einen Schritt nach vorn, eine dezente Bewegung, um sich zwischen Nehemia und Celaena zu stellen. »Macht Ihr einen Rundgang durchs Schloss?«
Nehemia hatte an den Wörtern zu kauen und sah dann Celaena an, die Brauen nach oben gezogen, als hätte sie längst eine Übersetzung erwartet. Ein Lächeln zuckte in Celaenas Mundwinkeln. Kein Wunder, dass der Ratsherr so heftig schwitzte. Mit Nehemia musste man erst mal fertigwerden. Mühelos übersetzte Celaena Chaols Frage.
»Falls man dieses Werk des Wahnsinns als Schloss bezeichnen will«, erwiderte Nehemia.
Celaena sagte an Chaol gewandt: »Sie sagt Ja.«
»Wie viele Worte man machen kann, wenn man nur ein einziges meint«, bemerkte Kaltain mit falscher Freundlichkeit. Celaenas Nägel bohrten sich in ihre Handflächen.
Ich reiß dir gleich die Haare aus.
Chaol machte noch einen Schritt auf Nehemia zu – und versperrte damit wirkungsvoll Celaenas Weg zu Kaltain. Kluger Mann. Er legte sich eine Hand auf die Brust. »Eure Hoheit, ich bin der Captain der königlichen Leibgarde. Bitte gestattet mir, Euch zu begleiten.«
Celaena übersetzte wieder und die Prinzessin nickte. »Schickt sie weg«, sagte sie unverblümt zu Celaena und wedelte mit der Hand in Kaltains Richtung. »Ihre Art liegt mir nicht.«
»Ihr seid entlassen«, sagte Celaena zu Kaltain und verzog ihre Lippen zu einem strahlenden Lächeln. »Die Prinzessin ist Eure Gesellschaft leid.«
»Aber die Königin …«, setzte Kaltain an.
»Wenn das der Wunsch Ihrer Hoheit ist, dann ist er uns Befehl«, fiel Chaol ihr ins Wort. Sein Gesichtsausdruck entsprach der Etikette, aber Celaena hätte schwören können, dass sie in seinen Augen einen Funken Belustigung entdeckt hatte. Sie hätte ihn umarmen können. Sie nickte Kaltain nicht einmal mehr zu, als die Prinzessin und der Ratsherr sich ihnen auf ihrem Weg durch den Flur anschlossen und die wutschäumende Dame zurückließen.
»Sind alle Eure adligen Damen so?«, fragte die Prinzessin Celaena auf Eyllwe.
»Wie Kaltain? Bedauerlicherweise ja, Eure Hoheit.«
Nehemia musterte die Assassinin und Celaena wusste, dass sie ihre Kleidung erfasste, ihren Gang, ihre Haltung – alles, was Celaena selbst an der Prinzessin bereits beobachtet hatte. »Aber Ihr – Ihr seid nicht wie sie. Wie kommt es, dass Ihr so gut Eyllwe sprecht?«
»Ich« – Celaena überlegte sich eine Ausrede – »habe es ein paar Jahre lang gelernt.«
»Ihr habt den Akzent einer Bäuerin. Steht das so in Euren Büchern?«
»Ich kannte eine Eyllwe, die es mir beigebracht hat.«
»Eine Eurer Sklavinnen?« Nehemias Ton wurde schärfer und Chaol warf ihnen einen schnellen Blick zu.
»Nein«, sagte Celaena eilig. »Ich bin gegen Sklavenhaltung.« Etwas versetzte ihr einen Stich beim Gedanken an all die Sklaven, die sie in Endovier zurückgelassen hatte, all diese Leute, die dazu verdammt waren, bis zu ihrem Tod zu leiden. Nur weil sie Endovier verlassen hatte, hieß das nicht, dass es Endovier nicht mehr gab.
Nehemias
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