Throne of Glass – Die Erwählte
nicht die, die Ihr glaubt!«
Königin Elena legte Celaena die Hände auf die Schultern und küsste sie auf die Stirn. »Ein mutiges Herz ist sehr selten«, sagte sie plötzlich ruhig. »Lass dich von ihm führen.«
Ein deutliches Heulen ließ die Wände erbeben und Celaena gefror das Blut in den Adern. »Geh!« , sagte die Königin und schob sie in den Gang hinaus. »Lauf!«
Celeaena brauchte keine weitere Aufforderung. Sie hastete die Treppen hinauf, floh so überstürzt, dass sie eigentlich keinen Plan hatte, in welche Richtung sie rannte. Unten hörte man einen Schrei und ein Fauchen und Celaenas Magen krampfte sich zusammen, während sie vorwärtsstürzte. Als endlich das Licht ihres Schlafzimmers auftauchte, hörte sie weit hinter sich ein gedämpftes Aufheulen, wie in plötzlicher Erkenntnis und Wut.
Sie stürmte in den Raum und sah nur ihr Bett, bevor alles dunkel wurde.
~
Celaena riss die Augen auf. Sie atmete schwer. Und sie trug noch ihr Kleid. Aber sie war in Sicherheit – in ihrem Schlafzimmer in Sicherheit. Warum hatte sie in letzter Zeit so sonderbare, unangenehme Träume? Und warum war sie außer Atem? Du musst das Böse, das im Schloss lauert, finden und zerstören!
Celaena rollte sich auf die Seite und wäre gern wieder eingeschlafen, wenn nicht etwas Metallenes in ihre Handfläche gedrückt hätte. Bitte, bitte, lass es Chaols Ring sein.
Aber sie wusste, dass er es nicht war. In ihrer Hand lag ein goldenes Amulett von der Größe einer Münze. Es hing an einem zarten Kettchen. Sie unterdrückte einen Schrei. Die runde Einfassung des Amuletts, die aus gedrehten Metallstreifen gefertigt war, hielt zwei sich überlappende Ringe. An der Stelle, an der sie sich überschnitten, war ein kleiner blauer Stein eingearbeitet, sodass die Mitte des Amuletts wie ein Auge aussah. Durch das Ganze verlief eine waagrechte Linie hindurch. Es war wunderschön und seltsam und …
Celaena blickte zum Gobelin. Die Tür dahinter war nur angelehnt.
Sie sprang so rasch aus dem Bett, dass sie mit der Schulter an dieWand stieß. Trotz des Schmerzes rannte sie zur Tür und zog sie fest zu. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, war, dass dieses Wesen von da unten plötzlich in ihrem Schlafzimmer stand. Oder dass Elena wieder auftauchte.
Keuchend trat Celaena zurück und betrachtete den Gobelin. Die Frauengestalt ragte neben der Holzkommode auf. Es war Elena, wie sie jetzt erkannte. Sie stand genau vor der geheimen Tür. Ein geschickter Hinweis.
Celaena warf noch ein paar Holzscheite ins Feuer, zog rasch ihr Nachthemd an und schlüpfte ins Bett, das behelfsmäßige Messer fest in der Hand. Das Amulett lag noch dort, wo sie es hingelegt hatte. Es wird dich beschützen …
Wieder starrte Celaena zur Tür. Keine Schreie, kein Heulen, nichts deutete auf das hin, was gerade geschehen war. Und trotzdem …
Celaena verfluchte sich zwar dafür, legte sich das Kettchen aber hastig um den Hals. Es war leicht und warm. Dann zog sie die Bettdecke bis zum Kinn hoch, kniff die Augen zu und wartete – auf den Schlaf oder auf eine Klaue, die sie packte und ihr den Kopf abriss. Wenn es kein Traum gewesen war – wenn es nicht einfach nur eine Halluzination gewesen war …
Celaena umklammerte den Anhänger. Champion des Königs werden – das konnte sie schaffen. Das hatte sie sowieso vor. Aber was waren Elenas Absichten? Für Erilea war es wichtig, dass der Champion des Königs das Leid der Massen verstand. Das hörte sich ziemlich einfach an. Aber warum musste ausgerechnet Elena ihr das mitteilen? Und wie hing es mit ihrer ersten Anweisung zusammen: das Böse, das im Schloss lauerte, zu finden und zu zerstören?
Celaena brachte sich mit einem tiefen Atemzug zur Ruhe und schmiegte sich tiefer in die Kissen. Es war dumm gewesen, die Geheimtür ausgerechnet an Samhain zu öffnen! Hatte sie sich das allesalso selbst eingebrockt? Sie öffnete die Augen und betrachtete den Gobelin.
Etwas Böses wohnt in diesem Schloss … Zerstöre es …
Hatte sie nicht schon genug Sorgen? Sie würde Elenas zweite Anordnung befolgen – aber die erste … Das gäbe nur Ärger. Schließlich konnte sie ja nicht im Schloss herumschnüffeln, wie es ihr beliebte!
Aber wenn es so eine Bedrohung gab, dann war nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr. Und sie wäre zwar überglücklich, wenn eine dunkle Macht Cain, Perrington, den König und Kaltain Rompier vernichten würde, aber wenn Nehemia oder selbst Chaol und Dorian etwas zustieße
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