Throne of Glass – Die Erwählte
Hatte eine von ihnen Xavier getötet? Aber sie waren doch in der Gruft gewesen! Niemals hätten sie unbemerkt in den Fluren des Schlosses herumschleichen können. Wahrscheinlich hatte sich Ungeziefer über die Leiche hergemacht, bevor man sie gefunden hatte. Sehr, sehr hungriges Ungeziefer.
Wieder schauderte ihr und sie sprang aus dem Bett. Sie brauchte mehr behelfsmäßige Waffen und musste ihre Türen und Fenster noch besser sichern.
Selbst während sie das tat, redete sie sich die ganze Zeit über ein, dass es keinen Grund zur Sorge gab. Da jedoch ein paar freie Stunden vor ihr lagen, deckte sie sich mit allem ein, was sie finden konnte, schloss ihre Schlafzimmertür ab und schlüpfte in den Geheimgang.
~
Celaena ging in der Gruft auf und ab und grummelte vor sich hin. Hier gab es überhaupt keinen Hinweis auf das, was Elena vorhatte. Oder was die Quelle des geheimnisvollen Übels sein könnte. Absolut nichts.
Jetzt bei Tag schien ein Sonnenstrahl herein, in dem die von ihr aufgewirbelten Staubkörnchen wie tanzende Schneeflocken aussahen. Wie konnte es so tief unter dem Schloss Tageslicht geben? Celaena blieb unter dem Spalt in der Decke stehen und starrte zu dem einfallenden Licht hinauf.
Und wirklich schimmerten die Seitenwände des Schachts, sie waren mit poliertem Gold beschlagen. Ziemlich viel Gold, wenn die Sonnenstrahlen auf dem ganzen Weg nach hier unten reflektiert wurden.
Celaena ging zwischen den beiden Sarkophagen hindurch. Zur Sicherheit hatte sie drei ihrer behelfsmäßigen Waffen dabei, aber es gab keine Spur von dem, was letzte Nacht geknurrt und gefaucht hatte. Und auch keine Spur von Elena.
Celaena blieb neben ihrem Sarkophag stehen. Der blaue Edelstein in der gemeißelten Krone pulsierte im schwachen Sonnenlicht.
»Aus welchem Grund habt Ihr gerade mir diese Dinge aufgetragen?«, grübelte sie laut. Ihre Stimme hallte von den kunstvoll behauenen Wänden wider. »Seit tausend Jahren seid Ihr tot. Warum macht Ihr Euch noch Gedanken um Erilea?«
Und warum brachte sie nicht Dorian oder Chaol oder Nehemia oder irgendjemand anderen dazu, ihr zu helfen?
Celaena tippte mit dem Finger auf die vorwitzige Nase der Königin. »Man sollte doch denken, dass Ihr im Jenseits etwas Besseres zu tun habt.« Sie versuchte zu grinsen, aber ihre Stimme klang viel leiser, als ihr lieb war.
Sie sollte gehen. Ihre Schlafzimmertür war zwar abgeschlossen, aber früher oder später würde jemand nach ihr sehen. Und garantiertwürde ihr niemand glauben, dass die erste Königin von Adarlan sie mit einer wirklich wichtigen Mission betraut hatte. Vielmehr, stellte sie mit einer Grimasse fest, konnte sie sogar von Glück sagen, wenn man sie nicht des Verrats oder des unerlaubten Gebrauchs von Magie anklagte. Dann wäre ihre Rückkehr nach Endovier besiegelt.
Celaena sah sich noch ein letztes Mal in der Gruft um, dann ging sie. Hier gab es nichts, was ihr weiterhelfen könnte. Und wenn Elena so viel daran lag, dass sie Champion des Königs wurde, dann hatte sie gar keine Zeit, dieses rätselhafte Böse zu jagen. Es würde nämlich ihre Gewinnchancen mindern. Während sie die Stufen hinauflief, warf ihre Kerze unheimliche Schatten an die Wände. Und wenn dieses Böse wirklich so bedrohlich war, wie Elena behauptete, wie sollte ausgerechnet sie es besiegen?
Nicht dass der Gedanke an etwas Böses im Schloss ihr etwa Angst machte …
Nein. Ganz bestimmt nicht. Celaena schnaubte. Sie würde sich darauf konzentrieren, Champion des Königs zu werden. Und wenn sie gewonnen hatte, konnte sie dieses Böse suchen.
Vielleicht.
~
Eine Stunde später wurde Celaena mit erhobenem Haupt von ihren Wachen in die Bibliothek eskortiert. Lächelnd nickte sie den jungen Höflingen zu, denen sie auf ihrem Weg begegneten, und grinste die Hofdamen an, die nach ihrem rosa-weißen Kleid schielten. Sie konnte es ihnen nicht verdenken, das Kleid war wirklich atemberaubend. Und sie sah darin ebenso atemberaubend aus. Das hatte sogar Ress gesagt, einer der attraktiveren Wachen vor ihrer Tür. Natürlich hatte sie ihn leicht dazu überreden können, sie in die Bibliothek zu begleiten.
Celaena setzte ein selbstzufriedenes Lächeln auf, als sie einem vorbeigehenden Edelmann zunickte, der bei ihrem Anblick die Augenbrauen hochzog. Als er den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, ging Celaena einfach weiter. Ihr war aber aufgefallen, dass er extrem blass aussah. Ihre Schritte beschleunigten sich, denn nun näherten sie sich einer Abzweigung und
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