Throne of Glass – Die Erwählte
Jacke und Dorian hätte seinem Freund einen Kinnhaken verpasst, wäre er nicht so verdammt schnell gewesen. Bevor er wusste, wie ihm geschah, wurde er grob in den Flur geschleudert und die Tür hinter ihm zugemacht und abgeschlossen.
Aus irgendeinem Grund schlief Dorian in dieser Nacht nicht gut.
~
Chaol Westfall holte tief Luft. Was tat er hier? Hatte er irgendein Recht, so mit dem Kronprinz von Adarlan umzuspringen, wenn er selbst wider alle Vernunft handelte? Er begriff die rasende Wut nicht, die in ihm aufgestiegen war, sobald er Dorian in der Schlafzimmertür entdeckt hatte, er wollte diese Art der Wut gar nicht verstehen. Es war keine Eifersucht, es ging darüber hinaus. Und es verwandelte seinen Freund in jemand anderen, in einen Unbekannten. Er war ziemlich sicher, dass Celaena noch Jungfrau war, aber wusste Dorian das? Wahrscheinlich steigerte das sein Interesse nur noch. Er seufzte und schob behutsam die Tür auf, zuckte zusammen, als sie laut knarrte.
Sie hatte noch ihr Kleid an, und obwohl sie wunderschön aussah, erfasste er die tödliche Gefahr, die von ihr ausging: ihr ausgeprägter Unterkiefer, der Schwung ihrer Augenbrauen, die vollkommene Reglosigkeit ihrer Gestalt. Sie war eine fein geschliffene Klinge, vom König der Assassinen zu seinem eigenen Nutzen gefertigt. Sie war ein schlafendes Tier – eine Bergkatze oder ein Drache – und die Zeichen ihrer Macht waren überall. Chaol schüttelte den Kopf und betrat das Schlafzimmer.
Beim Geräusch seiner Schritte schlug sie ein Auge auf. »Es ist noch nicht Morgen«, grummelte sie und drehte sich auf die andere Seite.
»Ich habe ein Geschenk für Euch.« Er kam sich völlig lächerlich vor und eine Sekunde lang überlegte er, lieber schnell zu verschwinden.
»Ein Geschenk?«, fragte sie deutlicher, drehte sich zu ihm und blinzelte.
»Nichts Besonderes; sie sind beim Bankett verteilt worden. Gebt mir einfach Eure Hand.« Das war gelogen, wenn man es genau nahm. Sie waren als kleine Aufmerksamkeit an die adligen Damen ausgegeben worden und er hatte sich einen aus dem Korb geschnappt, als er herumgereicht wurde. Die meisten Frauen würden ihn niemals tragen – er würde herumliegen oder an die Lieblingszofe verschenkt werden.
»Lasst mal sehen.« Träge streckte sie den Arm aus.
Er wühlte in seiner Tasche und zog das Geschenk heraus. »Hier.« Er legte es ihr auf die Handfläche.
Sie betrachtete es und lächelte schläfrig. »Ein Ring.« Sie streifte ihn über. »Wie hübsch.« Er war schlicht aus Silber gearbeitet, die einzige Verzierung bestand aus dem fingernagelgroßen Amethyst in der Mitte. Die Oberfläche des Edelsteins war glatt und rund und er funkelte die Assassinin wie ein violettes Auge an. »Danke«, sagte sie mit schweren Lidern.
»Ihr tragt noch Euer Kleid, Celaena.« Die Röte in seinem Gesicht wollte einfach nicht verschwinden.
»Ich ziehe mich gleich um.« Er wusste, dass sie das nicht tun würde. »Ich muss mich bloß … kurz ausruhen.« Dann war sie wieder eingeschlafen, die Hand mit dem Ring über ihrem Herzen. Mit einem resignierten Seufzer holte der Captain eine Wolldecke vom nahen Sofa und warf sie ihr über. Er war halb versucht, ihr den Ring vom Finger zu ziehen, aber … Irgendwie sah sie jetzt ganz friedlich aus. Er rieb sich den Nacken und verließ mit noch glühendem Gesicht ihre Räume. Wie sollte er das morgen Dorian erklären?
25
C elaena träumte, dass sie wieder den langen Geheimgang hinunterstieg. Diesmal hatte sie keine Kerze und auch kein Garn, um sich zu orientieren. Sie wählte den rechten Torbogen, denn die beiden anderen wirkten dunkel und ungastlich, nur dieser war warm und angenehm. Und dann der Geruch – es roch nicht moderig, sondern nach Rosen. Der Gang wand und krümmte sich und irgendwann musste Celaena eine schmale Treppe hinab. Sie vermied es, den Stein zu berühren, auch wenn sie nicht hätte sagen können, warum. Die Treppe schraubte sich steil nach unten, und immer wenn neue Türen oder Torbögen auftauchten, folgte Celaena dem Rosenduft. Gerade als sie vom langen Laufen müde wurde, erreichte sie das untere Ende einer Treppe und blieb stehen. Vor ihr befand sich eine alte Holztür.
In der Mitte hing ein bronzener Türklopfer in Form eines Totenschädels, der sie anzugrinsen schien. Sie erwartete fast, dass wieder dieser furchtbare Luftzug aufkam, dass sie jemanden weinen hörte oder es feucht und kalt wurde. Aber es blieb warm und duftete noch immer herrlich, also nahm Celaena
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