Throne of Glass – Die Erwählte
Details wissen.«
»Oh doch, tut mir den Gefallen«, bettelte Nehemia mit einem schmalen Lächeln.
Celaena zog eine Augenbraue hoch. »Na gut. Also – überall war Blut hingeschmiert. An den Wänden und auf dem Fußboden.«
»Geschmiert?«, fragte Nehemia und senkte ihre Stimme fast zu einem Flüstern. »Nicht gespritzt?«
»Ich glaube schon. Als hätte es jemand absichtlich dort hingeschmiert. Es waren sogar ein paar Wyrdzeichen mit dem Blut gemalt worden, aber das meiste davon war schon wieder weggewischt.« Sie schüttelte den Kopf, als das Bild erneut vor ihrem inneren Auge aufstieg. »Und es fehlten die lebenswichtigen Organe der Leiche – als hätte ihn jemand vom Hals bis zum Bauchnabel aufgeschlitzt und … Es tut mir leid, Ihr seht aus, als würde Euch schlecht. Ich hätte den Mund halten sollen.«
»Nein, sprecht weiter. Was fehlte noch?«
Celaena schwieg einen Moment und sagte dann: »Sein Gehirn. Jemand hat oben in den Kopf ein Loch geschlagen. Das Gehirn war weg und die Gesichtshaut abgerissen.«
Nehemia nickte und starrte auf einen vertrockneten Busch vor ihnen. Die Prinzessin knabberte an ihrer Unterlippe und Celaena sah, wie sie die Finger seitlich neben ihrem langen, weißen Kleid zu Fäusten ballte und wieder ausstreckte. Ein kalter Wind kam auf, ließ Nehemias viele kleine Zöpfe wehen und brachte das darin eingeflochtene Gold zum Klirren.
»Es tut mir leid«, sagte Celaena. »Ich hätte nicht …«
Hinter ihnen waren Schritte zu hören, und noch bevor Celaena herumwirbeln konnte, ertönte eine männliche Stimme: »Wen haben wir denn da?«
Als Cain in ihrer Nähe stehen blieb, halb vom Schatten des Uhrturms verdeckt, wurde sie nervös. Neben ihm stand Verin, der vorlaute Dieb mit dem Lockenkopf. »Was wollt ihr?«, fragte sie.
Cains gebräuntes Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Irgendwie schien er größer geworden zu sein – oder vielleicht spielten ihre Augen ihr einen Streich. »Nur weil du vorgibst, eine Dame zu sein, muss das noch lange nicht wahr sein«, sagte er. Celaenas Blick flog zu Nehemia, aber die Prinzessin starrte Cain an – mit zusammengekniffenen Augen, aber sonderbar schlaffen Lippen.
Der war noch nicht fertig und wandte sich nun Nehemia zu. »Und eine Krone macht auch nicht wirklich eine Prinzessin aus Euch. Die Zeiten sind vorbei.« Er zog die Lippen zurück und entblößte seine leuchtend weißen Zähne.
Celaena ging einen Schritt auf ihn zu. »Halt dein dämliches Maul, sonst werde ich dir sämtliche Zähne ausschlagen und es dir damit zustopfen.«
Cain ließ ein schrilles Lachen hören, in das Verin einfiel. Der Dieb ging im Bogen um sie herum und stellte sich hinter ihnen auf. Celaena richtete sich auf und fragte sich, ob sie wirklich hier einen Kampf anfangen würden. »Das Schoßhündchen des Prinzen kann ziemlich laut bellen«, sagte Cain. »Aber kann es auch zubeißen?«
Celaena spürte Nehemias Hand auf der Schulter, schüttelte sie aber ab und ging noch einen Schritt auf Cain zu, so nah, dass sie seinen Atem in ihrem Gesicht spüren konnte. Die Soldaten der Leibgarde standen im Innern des Schlosses herum und unterhielten sich. »Das wirst du merken, wenn ich dir an die Kehle gehe«, gab sie zurück.
»Warum nicht jetzt?«, flüsterte Cain. »Komm schon, schlag mich. Schlag mich mit all der Wut, die in dir hochkocht, wenn du absichtlich das Ziel verfehlst oder eine Wand langsamer hinaufkletterst als ich. Schlag mich, Lillian«, flüsterte er so leise, dass nur sie es hören konnte, »und zeig, was das Jahr in Endovier dich wirklich gelehrt hat.«
Celaenas Herz verfiel in Galopp. Er wusste es. Er wusste, wer sie war und was sie tat. Sie wagte nicht, Nehemia anzublicken, und hoffte nur, dass sie die Sprache von Adarlan noch nicht gut genug beherrschte, um alles zu verstehen. Verin beobachtete sie.
»Glaubst du, nur dein Ratsherr tut alles, um zu gewinnen? Glaubst du, dein Prinz und dein Captain wissen als Einzige, wer du bist?«
Celaena ballte eine Hand zur Faust. Zwei Schläge und er würde japsend am Boden liegen. Noch ein Schlag und Verin läge daneben.
»Lillian«, sagte Nehemia auf Adarlan und nahm sie an die Hand. »Wir haben zu tun. Lasst uns gehen.«
»Recht so«, sagte Cain. »Lauf nur hinter ihr her, so wie es sich für ein Schoßhündchen gehört.«
Celaenas Hand zitterte. Wenn sie auf ihn losging … Wenn sie sich hier in einen Kampf verwickeln ließ und die Wachen sie trennen mussten, würde Chaol ihr bestimmt nicht mehr
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