Throne of Glass – Die Erwählte
verbrannte und die Welt in Dunkelheit und Leid versank?
Trotzdem fuhr sie fort. Sie musste ihre Gedanken vor ihm ausbreiten, vielleicht fügten sich die Puzzleteile zusammen, wenn sie alles einmal laut aussprach. »Manche meinen, dass es schon Leben gab, bevor die Göttin auftauchte, eine alte Zivilisation, die dann irgendwie verschwand. Vielleicht durch dieses komische Wyrdtor. Es gibt noch Ruinen – Ruinen, die zu alt sind, um von den Fae zu stammen.« Wie das alles mit den Morden an den Champions zusammenhängen konnte, war ihr allerdings vollkommen schleierhaft. Doch sie klammerte sich an jeden Strohhalm.
Chaol stellte die Füße auf den Boden und legte das Buch auf den Tisch. »Darf ich ehrlich zu Euch sein?« Er beugte sich über den Tisch und Celaena neigte den Kopf in seine Richtung, als er flüsterte: »Ihr redet vollkommen wirres Zeug.«
Sie schnaubte und lehnte sich wütend zurück. »Verzeihung, dass ich mich für die Geschichte unserer Welt interessiere!«
»Ihr habt es selbst gesagt: Diese Theorien klingen vollkommenirre und abstrus.« Er wandte sich wieder seinem Buch zu und fragte, ohne sie anzusehen: »Noch einmal: Warum so frustriert?«
Sie rieb sich die Augen. »Weil«, sagte sie fast jammernd, »weil ich einfach eine klare Antwort haben will, was Wyrdzeichen sind und warum es ausgerechnet hier im Garten welche gibt.« Alle Magie war auf Befehl des Königs ausgelöscht worden, warum hatten die Wyrdzeichen also bleiben dürfen? Es musste einfach etwas bedeuten, dass am Tatort welche aufgetaucht waren.
»Sucht Euch lieber einen anderen Zeitvertreib«, sagte er und begann wieder zu lesen. Normalerweise waren es Soldaten der Garde, die sie täglich stundenlang in der Bibliothek bewachten. Was tat er hier? Sie lächelte – ihr Herz machte einen Hüpfer – und wandte sich wieder den Büchern auf dem Tisch zu.
Sie ging alle Informationen noch einmal durch. Da gab es die Wyrdtore, die oft im Zusammenhang mit den Wyrdzeichen erwähnt wurden. Als sie vor ein paar Tagen zum ersten Mal über diesen Begriff gestolpert war, hatte sie ihn interessant gefunden und sich auf der Suche danach durch ganze Berge von altem Pergament gegraben, nur um auf noch rätselhaftere Theorien zu stoßen.
Diese Tore waren sowohl real vorhanden als auch unsichtbar. Sie konnten von Menschen nicht gesehen, aber mithilfe der Wyrdzeichen aktiviert und benutzt werden. Sie boten Zugang zu anderen Reichen, guten und bösen, und durch sie konnte alles Mögliche nach Erilea gelangen. Nur so waren die vielen sonderbaren wilden Wesen zu erklären, die Erilea bevölkerten.
Celaena zog das nächste Buch zu sich heran und grinste, als sie den Titel sah. Als hätte jemand ihre Gedanken gelesen. Auf dem dicken, schwarzen Band stand in stumpfen Silberlettern Die lebenden Toten . Zum Glück sah der Captain den Titel nicht, bevor sie das Buch aufschlug. Aber …
Sie erinnerte sich gar nicht daran, es aus dem Regal gezogen zuhaben. Es roch muffig, fast wie feuchte Erde, und Celaena blätterte die Seiten mit gerümpfter Nase um. Sie suchte nach Hinweisen auf die Wyrdzeichen oder Wyrdtore, stieß aber bald auf etwas sehr viel Interessanteres.
Von einer Illustration grinste sie ein verzerrtes, halb verwestes Gesicht an, von dem das Fleisch schon in Fetzen herabhing. Plötzlich wurde es kühl und Celaena rieb sich die Arme. Wo hatte sie das ausgegraben? Wie war es den Bücherverbrennungen entgangen? Wie hatte überhaupt ein einziges dieser Bücher die Säuberungsfeuer vor zehn Jahren überlebt?
Ihr lief ein Schauder über den Rücken und fast hätte sie sich geschüttelt. Die wahnsinnigen, hohlen Augen in dem grauenvollen Gesicht waren voller Bosheit. Es wirkte, als würden sie sie direkt ansehen. Hastig schlug Celaena das Buch zu und schob es ans andere Ende des Tisches. Wenn der König erfuhr, dass sich in seiner Bibliothek noch solche Bücher befanden, würde er sie alle vernichten lassen. Und hier gab es keine Gelehrten wie in der Großen Bibliothek von Orynth, die die wertvollen Werke schützen würden. Chaol las. Auf einmal war im hinteren Teil der Bibliothek ein Knurren zu hören und Celaenas Kopf fuhr herum. Es war ein kehliges Geräusch wie von einem Tier …
»Habt Ihr das gehört?«, fragte sie.
»Wann habt Ihr vor zu gehen?«, gab er nur zurück.
»Wenn ich keine Lust mehr habe zu lesen.« Sie zog das schwarze Buch wieder zu sich heran, blätterte an der Furcht einflößenden Abbildung des Totenschädels vorbei und holte
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